Dezember 2023 - 50 ist doch nur eine Zahl

Genau, Fünfzig ist nur eine Zahl und doch haben Männer das Gefühl ab frühestens vierzig bis eben fünfzig plus, sie brauchen einen Porsche oder sonstigen Sportwagen, müssen Verrücktes wie Bungee Jumping machen oder sich kleiden wie die zwanzig Jährigen. Daneben gibt’s einen Rasenmäher zum draufsitzen, eine neue junge Freundin oder Freund und die Scheidung oder Trennung im Haus. Sie wissen von was ich rede? Richtig, Midlife Crisis! Und demnächst werde ich fünfzig…

Es gibt keinen Sportwagen, das klar. Asco hätte keinen Platz und Stefan mit seinen knappen 1.95 Meter Körperlänge müsste sich sowas von zusammenlegen, da wäre Yoga direkt einfach. Auch gegen einen 4WD SUV habe ich mich entschieden. Die kosten nur viel und sind im wirklichen Gelände gerade so viel wert, wie Birkenstock Schlarpen auf Glatteis. Am ehesten würde eine Heirat mit Stefan anstehen. Eingetragene Partnerschaft geht ja nicht mehr, seit wir über die Ehe für Alle abgestimmt haben. Denn seit dem 1. Juli 2022 sind keine neuen eingetragenen Partnerschaften mehr möglich. Ein paar Freunde lassen den Status nicht ändern und bleiben in der eingetragenen Partnerschaft. Ein Sonderstatus – wie sie lustigerweise sagen.

Ein Fest mit Freunden und Familie? Doch da kommen Fragen auf: Was? Wer? Und wie viele wären wir? Erst ein Ankunfts-Apero, danach etwas anschauen, oder Ausfahrt, oder sonstigen Event? Je nach Wetter im Winter ist das schwierig mit einer Fahrt ins Blaue – eher ins Weisse mit schlitteln zum Beispiel, oder gibt es das Fondueschiff noch? Fragen über Fragen und ich habe noch keine Antworten. Am liebsten würde ich einen gemütlichen Abend mit Stefan, Vreni und Hans, Bruno und Nalo und auch Christoph mit seinem neuen Freund verbringen. Die Hunde hätten sich zum Spielen und wir könnten zusammen kochen.

Wie war das wohl mit dem Nikolaus? War das ein ganz normaler Mann und hat sich in der Midlife-Crisis gesagt, er werde jetzt Weihnachtsmann und tue Gutes? Klar, so war das nicht – die Geschichte kennen wir, sie geht unter anderem auf den heiligen Nikolaus von Myra zurück. Um ihn und seine Taten ranken sich zahlreiche Legenden und Mythen, die seine Popularität und Bedeutung begründen. Alle Nikolaus-Geschichten haben eines gemeinsam: Sie vermitteln das Bild einer gütigen und hilfsbereiten Person, die mit ihrem wunderbaren Wirken die Not der Menschen gelindert hat. Gestorben ist Nikolaus an einem 6. Dezember zwischen 345 und 365 n. Chr. Sein Todestag wurde zum Gedenken an seine guten Taten nach ihm benannt.

Mittlerweile wird der Nikolaus immer mit dem Weihnachtsmann verwechselt, den Coca-Cola in den 1930-er Jahre erfolgreich eingeführt und vermarktet hat. Bis heute ist das Bild des «Kommerz Santa Claus» geblieben und wird jedes Jahr munter angekurbelt. Werbekampagnen, Filme – mal familientauglich, mal nicht, Geschichten in Buchform, Bilder und Poster und auch wir bekommen ab und an einen sexy Santa Claus frei Haus geliefert. Oder gab es noch nie eine Karte mit einem erotischen Santa Claus in ihrem Briefkasten? Und in einem gewissen Alter geht’s dann eben mit schwelgen in alten Zeiten los – womit wir wieder bei der Midlife-Crisis wären, die bei mir glücklicherweise nicht Einzug gehalten hat. Wenn ich mir vorstelle, Stefan in einem Weihnachtsmann Kostüm schmelze ich dahin. Ich habe einen Partner, von dem ich sagen darf, dass ich mit ihm zusammen viele Jahre erleben möchte.

Für Sie wird es in Zukunft an dieser Stelle etwas anders, denn Sie lesen meine fünfzigste und zugleich letzte Geschichte. Danke an Frank Widmer und dem Vorstand von Aargay, dass ich die letzten vier Jahre hier schreiben durfte. Danke Ihnen, die meine Geschichten mit Asco, Stefan, Hans und Vreni, Bruno und Nalo verfolgt haben. Gut möglich, dass Sie in Zukunft in anderer Form über mich und meine Freunde stolpern werden. Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Adventszeit, fröhliche und hoffentlich weisse Weihnachten (oder wenigstens mit einem Regenbogen) und schon jetzt einen guten Start ins neue Jahr 2024. Ihr Erik, der Schreiber.November 


2023 - Am Abgrund

Nach Umstellung der Zeit auf Standartzeit, Halloween und Allerheiligen hat der November stürmisch Einzug gehalten. An Halloween standen zwar keine Kids für «Süsses oder Saures» vor der Tür, ebenso wenig ein Kerl, der was wollte – wobei ich da überlegt hätte, ob er Süsses oder Saures bekommt. Schaurige Gestalten begegneten uns auf dem Abend Spaziergang und Asco konnte ab und zu ein «wuff» nicht verkneifen. Und wenn ich in den Blätterwald, bzw. die Nachrichten sehe, habe ich das Gefühl, wir stehen am Abgrund. Da wird doch tatsächlich die intimste männliche Grösse des Mannes fast weltweit Land für Land statistisch festgehalten.

Der Mann misst und vergleicht. Selbst in den intimsten Bereichen. Männer tun das schon seit Jahrhunderten, allzu oft mit einem machohaften und absurden Konkurrenzdenken. WorldData wollte es genau wissen und erstellte eine Rangliste, die auf streng wissenschaftlichen und statistischen Studien beruht. Damit keine Zweifel aufkommen, stellt WorldData klar, wie «die Sache» gemessen wird. "Von der Wurzel bis zur Spitze". Und immer in der Fülle, nicht im schlaffen Zustand. Wissen wir das als aufmerksame blaue Seiten Konsumierer nicht schon längst? In Prozenten zur Körpergrösse wird die Grösse unseres besten Stückes angegeben – durchschnittlich natürlich.

Die Schweiz fehlt allerdings in dieser Studie, doch unsere Nachbarländerländer erfüllen den Durchschnitt. Für Deutschland ist die Grösse des «Johannes» 14,52cm bei einer Körpergröße von 1,80 Metern (Prozentsatz der Körpergröße: 8,07 %). Frankreich und Italien mit 8.83% bzw. 8.81% Wenn sie nun also 1,80 lang sind, dann wird sich ihr kleiner Mann wahrscheinlich irgendwo in der 8 bis 9 Prozent Marke bewegen. Sie können jetzt natürlich sofort losrennen und selber messen. Doch die Grösse der männlichen Attribute hängt in der Regel mit der Genetik zusammen, und es spielt keine Rolle, ob «er» gross oder klein ist, solange er seine Aufgabe gut erfüllt…

Jedenfalls haben wir uns köstlich amüsiert und da taucht die Frage auf: was bringen solche Studien? Gedanken können wir uns über folgendes machen: Stirbt die Menschheit bald aus? Laut einer Anfangs November 2023 veröffentlichten Studie der Uni Genf und des Schweizerischen Tropeninstituts sinkt die Spermienqualität. Ist Mobilfunkstrahlung verantwortlich, wird da gefragt. Die Studie kam zum Schluss, dass die Spermienkonzentration bei Männern, die ihr Handy mehr als 20-mal pro Tag benutzten, deutlich geringer war als bei Männern, die ihr Smartphone nur einmal die Woche nutzen. Die Abnahme der Spermienqualität sei eine Kombination von Umwelt- und Verhaltensfaktoren. So sei Hitze schlecht für Spermien. Männer, die auf der Arbeit Hitze ausgesetzt seien, wie beispielsweise Köche, sollen eine tiefere Spermienkonzentration haben. Und auch heisse Bäder und Jacuzzi sollen sich negativ auswirken.

Nur gut, dass wir keinen Kinderwunsch haben und somit locker in die Sauna, Hot-Tubs oder uns auf Ibiza, den Kanaren oder der Karibik in der Sonne räkeln können. Studien sind gut – mal abgesehen davon, wie sinnfrei, wie die Erstgenannte, jetzt sind. Was jedoch unsere Umwelt, unseren ganzen Planeten angeht, finde ich es bedenklich, was wir mit unserer Welt anstellen. Wie wir sie ausbeuten, die Natur untertan machen, Tiere dezimieren, indem wir sie jagen und ihren Lebensraum zerstören. Ist es gut, sinkt die Spermienqualität? So dezimiert sich der Mensch auf gewisse Weise selber, sollte dies nicht ein Krieg oder eine nächste Pandemie demnächst tun. Da braucht es keine Studie um zu sehen, dass wir längst am Abgrund stehen.


Oktober 2023 - Wahlen - Wählbar

JJetzt strahlen sie wieder doppelt, die Strassenlaternen. Des Nachts bestrahlen sie die Strassen und durch den Tag strahlen einem vom Laternenpfahl unzählige, ebenso freundliche Gesichter entgegen. Erinnern sie sich? Genau so begann meine erste Niederschrift hier. Es ist wieder Wahljahr und die Meisten können es schon gar nicht mehr hören oder etwas sehen. Sogar Herr Meier geht nicht mal mehr mit seinem Hund ins Dorf. Das liege an den vielen Köpfen an den Laternenmasten. Warum denn?

Sein Hund ist ein derartiges Sensibelchen – ein abricotfarbener, aufgeweckter Pudel – der dreht durch bei all den gefletschten Zähnen der Politiker:innen, die ihm da entgegenschauen. Da lasse er den Hund lieber daheim, wenn er einkaufen ging. Asco hebt trotzdem noch immer unbeeindruckt das Bein. Doch wer ist wählbar? Wer vertritt Anliegen der Queer-Community und benutzt nicht nur «unsere Hymnen» wie «We are Family» um Aufmerksamkeit zu erhaschen?

Apropos Aufmerksamkeit: Ist es ihnen auch aufgefallen? Wenn ich die Medien so anschaue, habe ich das Gefühl, es gehe nur noch um Debatten auslösen, in Wespennester stechen, provozieren. Die Frage, ob ein Thema relevant ist, wird kaum mehr gestellt. Wichtig ist nur noch, ob es Emotionen weckt, ob es sich skandalisieren lässt, ob es zu Streit führt zwischen Linken und Rechten. Und wenn eine Geschichte dann einschlägt wie gewünscht, wird Folgegeschichte um Folgegeschichte geschrieben. Entscheidend ist nicht mehr, was, sondern bloss noch, dass diskutiert wird.

Davon profitieren rechte Parteien wie die SVP überproportional, weil jede Redaktion weiss, dass deren Themen besonders viele und heftige Reaktionen provozieren. Egal, ob es um Ausländer geht, um Kriminalität, ob Bern eine Woche während den Euro Games Regenbogenfahnen hängen hat oder die junge SVP an der Pride in St.Gallen die Teilnehmenden in einem Video denunziert. Womit klar ist, was für Redaktionen manchmal mehr zählt als korrekte Bericht¬erstattung: Aufmerksamkeit! Enorm viele Kommentare von Leserinnen und Lesern. Und Klicks à gogo.

Deshalb verschmähe ich die Medien seit längerem – online Portale erst recht. Meine Favoriten für die Wahlen sind klar. Denn wenn ich sehe, dass die Zahl der eingereichten Listen und Kandidaturen mit 5909 Personen einen Höchststand (Frauenanteil 41%) mit 618 Listen erreicht, wird mir schon etwas anders. Die Post hat nach eigenen Angaben 2000 Tonnen Papier verschickt und war zwei Wochen damit beschäftig, nur schon alle Wahlcouverts zu bearbeiten.

Schauen sie auch mal auf Votepink.ch. Wenn sie nicht wissen, wer unserer Community freundlich gesinnt ist. Es ist an uns, jetzt anzupacken! Wir haben es in der Hand um zu schauen, dass Versprechen nicht blosse Versprechen bleiben. Dass das Strahlen an den Laternen nach den Wahlen nicht nur nachts weiter geht, sondern den Weg ins Parlament findet. Ich schliesse wie vor vier Jahren: Freunde, geht wählen!


September 2023 - Spam und andere Emails

Sie kennen das sicher. Da erwarten sie ein Paket, weil sie irgendwo online etwas bestellt haben und dann gibt’s ein Mail. «Ihr Paket ist unterwegs, die Zustellung kann leider nicht durchgeführt werden, da zu wenig Porto bezahlt wurde. Folgen sie dem Link um nach zu zahlen».  Bestenfalls haben sie gar nichts bestellt, so wissen sie es ist ein Mail für den Spam. Da will ihnen jemand Geld aus der Tasche ziehen. Doch was, wenn sie irrtümlich wirklich bezahlen?

Als IT-Mensch – und eigentlich sollte das jeder/jede machen – schaue ich mir den Absender genau an. Wenn da etwas von blablabla.ru steht oder so steht, ist der Fall sonnenklar – Finger weg und ab in den Spamordner. Wenn es von der Steuerbehörde ein Mail gibt, sie bekämen 549.40 Fr. zurück, weil sie zu viel Steuern bezahlt haben und die Bankverbindung angeben sollten, können sie davon ausgehen, dass dies auch ein Betrügermail ist. Die Steuerbehörde schickt ihnen nämlich einen Brief und kein Mail.

Genau gleich bei den Banken. Letzthin bekam ich ein Mail von der UBS. Auch mit der Aufforderung, die Daten zu korrigieren und per Link zu komplettieren. Das Dumme daran war, ich habe gar kein Konto bei der UBS. Auch Kreditkarten Unternehmen bleiben nicht verschont. Da bekomme ich in dreisprachiger Ausführung ein Mail, dass meine Kreditkarte gesperrt sei. Ein Anruf bei meiner Kreditkarten Gesellschaft sorgte sowohl für Klarheit, wie Heiterkeit bei meiner Kundenberaterin. Es war nichts und soweit alles ok – die Karte war gar nie gesperrt. Die SBB mit der Aufforderung, der neue Swisspass sei noch nicht bezahlt, oder I-Cloud löscht alle ihre Bilder, wenn sie nicht zahlen. Alles Humbug.

Daneben wird man mittlerweile mit allem Möglichen bombardiert. Das zeigt sich besonders nach den Ferien im Mailbriefkasten. Von besonderen Aktionen für Joggingbekleidung, über Hundefutter und Co, bis zu Garten- oder Elektronikartikel und Kochrezepten.  Das Meiste kann man bedenkenlos löschen.

Ich gehe immer noch im Laden um die Ecke einkaufen und lasse es mir nicht von einem Grossverteiler nach Hause liefern, auch wenn ich so und so viel Prozent weniger zahle. Ich unterhalte mich gerne direkt mit den Menschen und merke, es ist ein Bedürfnis, direkt zu kommunizieren. Auf ein Kompliment reagieren die meisten Leute erst fast erschrocken und da ist mir Asco ein grosser «Türöffner», weil nach dem ersten Schock über ein Kompliment ein Gespräch über den Hund in Gang kommt. Versuchen sie es mal, es genügt manchmal schon ein freundliches «Guten Morgen» im Zug, Bus, oder wo auch immer und ein Lächeln kann auch helfen. Da grüssen sie plötzlich wildfremde Menschen, nur weil sie ihnen zugelächelt haben. Passiert mir auch ohne Asco, denn wenn ich ihn und Stefan dabeihabe, geht das meistens eh ziemlich schnell und man ist im Gespräch oder grüsst freundlich zurück.

Passiert dies auch mit dem mürrischen Chef, dann ist die Welt doch schon ein Stück mehr in Ordnung, ohne dass sie gleich ein Szenario entwerfen müssen, wie sie ihn am besten um die Ecke bringen. Und wenn ihnen nach Krimi ist, dann lesen sie einen oder schauen sich einen Krimi an. Die Nächte werden wieder länger und es ist früher dunkel. Oder geniessen sie die lauen Septemberabende draussen, neben einem Feuer, bei romantischem Kerzenschein oder wie sie es gerne haben.
 


August 2023 - Pink

Stefan und ich haben ein neues Spiel: wer kocht den besten Tee? Bekanntlich sollte man bei Hitze genug trinken. Nein, kein Alkohol! Obwohl ein Cüpli im Whirlpool wirklich nicht zu verachten ist. So versuchen wir die verschiedensten Mischungen aus Kräutern und Beeren zu kreieren. Himbeere mit Limette macht bis jetzt das beste Rennen. Dicht gefolgt von Tee mit Minze oder eine gekaufte Waldbeerenmischung – der schmeckt eiskalt mit einem Schuss Pink Gin hervorragend. Pink ist eh als Farbe im August angesagt. Was? Sie wissen das nicht…?

Oh, da haben sie Einiges verpasst. Da gab es an der Pride in Bern nach den Euro Games Einiges in Pink zu sehen. Schon der Auftakt auf dem Bundesplatz war grandios mit den verschiedenen Nationen und wer die Altstadt Bern voller Regenbogenfahnen nicht live erlebt hat, hat wirklich etwas verpasst. Weniger schön ist, dass die Junge SVP Rot sieht. Typisch Wahljahr und ein Grund mehr, die provozierende SVP – ob jung oder Mutterpartei - gar nicht erst zu wählen. Dem Anlass selbst tat dies keinen Abbruch, doch wäre es nicht wünschenswert, dass sich die schwule SVP (ja die gibt’s…) mal etwas aktiver mit ihren jungen Parteikollegen auseinander, setzen würde? Und ich würde mich, nicht wundern, wenn von den Jungen SVP’lern der Eine oder Andere mit einem Mann im Bett war. Mutmassungen, ich weiss. Sagt mir Stefan auch immer wieder. Carlo hat’s jedoch bestätigt. Sie wissen noch, mein neuer Arbeitskollege Carlo mit Frau und Kind und Freundin und dem Drang mit Männern Sex zu haben.

Und wenn es schon um Machos geht, sollten sie unbedingt den pinken Film anschauen gehen. Genau, ich meine «Barbie»! Grandioser, kitschiger und mit einem grossen Spiegel unserer Gesellschaft, der uns vorgehalten wird, könnte der Film gar nicht sein. Da wird schonungslos unserem Männermacho Gehabe und auch gleich die heutige Arbeitswelt demontiert. Doch auch Frauen bekommen ihre Portion ab Punkto Aussehen, Stöckelschuhen und perfekt sein zu wollen um den Männern wiederum zu gefallen. Ehrlich gesagt, als wir aus dem Kino kamen, habe ich mich gefragt, wie es aussehen würde, wenn es keine Putins, Trumps, Erdogans, Assads und wie sie alle heissen, geben würde. Und es ist längst nicht nur der weisse, alte, machthungrige Mann, der unsere Welt ins Chaos stösst – der schwarze Mann gesellt sich dazu, wenn wir nach Niger blicken.

Für einmal ist eine Spielzeugverfilmung so pink – obwohl plötzlich gar nichts mehr so pink aussieht – dass es eine Freude ist zum Schauen. Ausserdem sind fast alle Ken’s in sexy knappen, engen Turnhosen zu sehen und Einer knackiger als der Andere. Da können die Barbie’s nun mal nicht mithalten. Sorry Mädels. Da jagen Musicalnummern und sogar Verfolgungsjagden die Darsteller von einem Höhepunkt zum andern. Barbie und Ken kämpfen beide für Akzeptanz und Toleranz. Die Zeit im Kino verging wie im Flug und wenn sie nun denken, dass da eh nur Teenager dringesessen sind, irren sie sich gewaltig. Von 6 bis geschätzt 75 Jahren war Alles vertreten: Väter mit ihren Töchtern, Grosseltern mit und ohne Enkel oder sehr viele Leute in meinem Alter. Wir waren mehr als erstaunt, weil wir schon gewettet haben, dass wir wahrscheinlich die Ältesten und dazu wohl die einzigen Männer wären. So kann man sich täuschen. Eine so ausgelassene Stimmung im Kino habe ich selten erlebt.

Danach gab’s einen Pink Flamingo Spritz und zum Nachtessen tranken wir Rosé zu einem rosa gebratenen Stück Fleisch. Und jetzt hätte ich Lust auf einen Pink Panther Film – eine Barbie oder Ken findet sich nun wirklich nicht bei uns zuhause. Einen wunderbaren pinken August. Oder wenn sie mögen, spannen sie die Regenbogen Fahne auf – ob mit «Peace» oder ohne. Für eine Welt mit mehr Toleranz.

Juli 2023 - Lasst die Spiele beginnen

Mit der Hitze vom Wochenende geht’s auch sonst hitzig zu und her. Doch der Reihe nach. Sie wissen es bereits schon: Ende Juli finden die Euro Games in Bern statt. 2314 Athletinnen und Athleten haben sich angemeldet. Bern soll zum queeren Hotspot des Sommers werden. Hand auf’s Herz: Haben sie in den grossen Medien schon etwas davon mitbekommen? Ich jedenfalls nicht und nur weil Stefan Einer dieser Athleten kennt, weiss ich, dass die Euro Games in Bern stattfinden. Wie haben sie es? Und wird dieser Berner Hotspot so heiss, wie man es sich verspricht?
Das Begrüssungsvideo des Berner Stadtpräsidenten konnte mich nicht wirklich begeistern. Zu hölzern kommt er mit seinem Englisch daher – wieso liess man ihn nicht einfach hochdeutsch sprechen mit Untertitel in Sprachen, die man auf Youtube anwählen kann wie französisch oder italienisch? Auch auf der Webseite habe ich mich nur schwer zurechtgefunden, was vielleicht auch an meinem Stammbrowser lag. Alles lieb gemeint, da war die Zeitschrift «Mannschaft» schneller und weiter und ich wusste, dass jeden Abend im Bierhübeli die Post abgeht. Ich werde mich jedenfalls in Bern umschauen und mittwochs bin ich arbeitender Weise im «Mutterhaus» in Bern. So kann ich die Eröffnung schon mal besuchen.
Bei den Sportarten wird sicher der Run der Aare entlang interessant. Rugby wurde leider abgesagt und daher bleibt mir ein Blick auf diese strammen Kerle verwehrt. Schwimmen und Volleyball ist sicher etwas, das für Hingucker sorgen wird. Ebenfalls sind die Botschafter:innen hochkarätig, ebenso das Zusatzprogramm, das auf die Beine gestellt wurde. Das Village auf dem Berner Münsterplatz macht jedenfalls neugierig. Doch all das - finde ich - spielt sich (noch) unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit ab. Daher hoffe ich, sind die Organisatoren noch hitzig genug, die grossen Medien an Bord zu holen.
Hitzig ging es wohl auch bei den Verantwortlichen der Post zu und her. Erhöhen die schon nach zwei Jahren die Preise für Briefe. Kein Wunder schreibt niemand mehr Briefe und Geburtstagskarten werden so erst recht fast keine mehr verschickt. Die Kettenreaktion ist absehbar. Es werden keine Karten mehr hergestellt, Druckereien machen zu, Fotografen und Designer haben keine Arbeit mehr. Und nur weil ein Monopolist wieder mal das Gefühl hat, er könne diktieren. Die SBB haben wenigstens sieben Jahre mit einer Erhöhung gewartet. Alles wird teuer und dass es da mal die Eine oder andere hitzige Reaktion gibt, ist nur verständlich.
Zuviel Hitze hat auch Asco nicht gerne. Er liegt lieber im kühlen Eingang in der Wohnung. Nicht einmal zu einem Bad auf der Terrasse lässt er sich begeistern. Ausser er konnte Nalo zeigen, wie das geht in Stefans Arme zu springen, wenn der im Whirlpool liegt. Bruno erschrak als Asco mit einem Satz zu uns sprang. Nalo in seinem jugendlichen Übermut hinterher. Auf Wasser war er so nicht gefasst. Allerdings war der Whirlpool mit drei Männern und einem Hund schon gut besetzt, als das Nalo hätte untergehen können. Er hat gebellt, sprang sofort wieder aus dem Pool und schüttelte sich zünftig. Da haben wir nun den Salat! Oder besser gesagt, Nalo wird wohl kaum mehr eine Wasserratte, wie das Asco ist. Doch schon platschte es wieder und Nalo war bei uns im Pool. Das reinspringen gefällt ihm und so hat auch er ein neues Spiel gefunden.
Lassen wir die Spiele beginnen, vielleicht sieht man sich in Bern zu den Euro Games mit anschliessender Pride am Samstag. Trinken sie genug, kühlen sie sich ab, wo immer es auch geht und sollten sie sich über das Wetter aufregen, denken sie daran, in ein paar Monaten ist es schon wieder kalt.


Juni 2023 – Haarsträubend


Jetzt ist der da, der Sommer. Mit all seinen schönen Seiten. Man(n) schlendert durch die Stadt und was erblickt man(n): Nackte Haut! Auf einem Plakat! Ein Paar – Frau und Mann. Sie trägt ein modernes Badekleid und zeigt sitzend viel Bein, er ist nur mit einem sportlichen, nackten Oberkörper und einem bärtigen Kopf zu sehen. Beide schauen in die Kamera- also auf mich. Und Asco und Stefan und alle, die ebenfalls dieses Plakat sehen und die Botschaft ist glasklar.

Genau, es geht um Haarentfernung – dauerhafte Haarentfernung. Stefan und ich schauen uns an. Wir beide bärtig und unterschiedlich körperbehaart. Stefan beginnt plötzlich zu lachen. Er habe sich gerade vorgestellt wie Asco nach einer Rasur aussehen würde. Ich war entsetzt. Ich meine, Stefan mit seinem trainierten Körper kommt dem Typen auf dem Plakat schon ziemlich nahe, auch mit behaarter Brust, doch ich sinniere, warum hat das Model auf dem Bild einen Bart? Wenn es doch um Haarentfernung geht, wüsste mir da nicht ein glattrasierter Typ entgegenschauen?

«Die Zukunft der Haarentfernung: Sanft, schnell und effektiv» steht da. Wer will schon Schmerzen, wenn Mann sich die Brust- oder andere Haare entfernen lassen will? Dem Model steht’s nicht schlecht, doch ich frage mich, wie viele dieser Männer sehen ‘körpertechnisch’ so aus? «Überlassen sie es ihrer glatten Haut, für sie zu sprechen. … Dynamische Kühlung zum Schutz … Pro Laser Haarentfernung» prangt ebenfalls unter den beiden Models. Stefan grinst mich an. «Meinst Du ich sollte mal…?» Mein Entsetzen schien mir ins Gesicht geschrieben. Er bog sich vor Lachen und zeigte auf den Namen des Instituts: Queen’s Beauty World… Ich verdrehte die Augen. «Weil Dir Carlo im Büro den Rang abläuft?»

Carlo stiess vor zwei Monaten zu uns ins Team. Ein attraktiver Mann zugegeben, doch nichts für mich, obwohl auch er einen schön gepflegten Bart trägt. Dennoch ergab es sich, dass wir bei einem Feierabendbier mehr voneinander erfuhren und er es toll findet, dass alle im Büro wissen, dass Stefan und ich zusammengehören. Bei ihm sei das etwas schwieriger. Ich stutzte. Er sei verheiratet. Na und? Er habe daneben eine Freundin. Willkommen im Leben. Die habe sich aber nun in ihn verliebt. Tönt schon komplizierter. Seine Frau weiss aber nichts davon und er will sie und die Kinder auch nicht verlassen. Typische Zwickmühle, befindet sich aber in guter Gesellschaft. Und ab und zu brauche er eben auch noch einen Mann und davon wissen beide Frauen nichts. Jetzt ist es definitiv kompliziert. Wie er das neben dem Job alles auf die Reihe bringt? wollte ich wissen. Er mache eben viel Überstunden, war seine Erklärung zuhause oder bei seiner Freundin.

So erfuhr ich viel über das Liebesleben eines Mannes, der nicht zu einer Laser-Haarentfernung musste, dem Model auf dem Plakat jedoch visuell nahekam. Er wisse gar nicht, warum er mir sein Liebesleben und die einhergehenden Probleme so offen schildere, doch er konnte sich bis jetzt niemandem anvertrauen. Und irgendwie werde ihm langsam alles zu viel, obwohl er sein Leben geniesse, jetzt auch in einem tollen Team arbeite und mich attraktiv finde. Ich lachte ihn an, bedankte mich für das Kompliment. Ich weiss, alle guten Dinge drei. Doch mit meinen zwei Männern, bin ich vollends zufrieden. Er stutzte. Stefan und Asco – natürlich. Doch er dürfe sich gerne mal anschliessen, wenn wir alle zusammen – also Bruno, Hans und Vreni und wir mit unseren Hunden spazieren gehen – wenn er dafür die Zeit aufbringen kann, ohne Überstunden machen zu müssen.

Haarstäubende Zeiten kann ich da nur sagen. Und schauen wir mal, wie haarig der Sommer beginnt, ohne uns mit Haarspaltereien abgeben zu müssen.



Mai 2023 - KI und ein neuer König für die Welt

 

Es ist in aller Munde, die Welt hat einen neuen König: Charles der Dritte. Und auch die IT-Branche, in der Stefan und ich mich bewegen, hat einen neuen König – oder besser eine Königin: die künstliche Intelligenz, kurz KI. Der Eine wartete eine gefühlte Ewigkeit auf den Thron, der eisern von seiner Mutter besetzt war. KI kam mit gefühlter Überschallgeschwindigkeit. Was bringt uns das alles?

Kommen wir erst mal zum leichteren Thema. Einem greifbaren König. Gut, so greifbar ist er nun auch wieder nicht, doch füllt immerhin sämtliche Klatschmagazine und bei seiner Krönung weltweit sämtliche News-Sendungen dazu. Ich habe mich nie mit der britischen Monarchie befasst und ehrlich gesagt, war mir das auch wurst. Ich habe da lieber eine Wurst auf dem Grill oder wie es Asco ausdrücken würde: zwischen den Zähnen.

Das Zweite ist nicht so einfach. Künstliche Intelligenz hat längst in unserem Alltag Einzug gehalten. Sei dies in der Kreativ Welt, wo man sich wiederkehrende Arbeiten zunutze macht. Sei das in der Drohnenforschung, in der eine Drohne schneller und exakter fliegt als vom Menschen gesteuert. Die ETH hat auf dieses Pferd gesetzt und studiert das Verhalten in aufwändigen Tests. Und nun kommt ChatGPT. ChatGPT nutzt künstliche Intelligenz um menschliche Sprache zu verstehen und so eine der menschlichen Sprache ähnelnde Antwort zu erzeugen.

Wenn ich KI zu Hilfe nehme – eben ChatGPT käme vielleicht eine solche Geschichte dabei heraus: «Asco und Nalo sind ein Paar und haben drei Hunde: Erik, Stefan und Bruno. Die drei Hunde wurden von Vreni und Hans, Ihren Eltern, gezeugt. Bei Asco und Nalo haben es die Hunde gut. Sie gehen joggen und dürfen ins Boxtraining.» Hunde die boxen? Wir haben uns köstlich über unsere Fantasie amüsiert.

Also versuchte ich es wirklich und gab folgendes bei ChatGPT ein: Ich schreibe eine Geschichte über Erik, Stefan und Asco. Asco ist ein Hund. Erik ist schwul und Erik und Stefan sind ein Paar. Jetzt wollen sie ChatGPT nutzen. Schreibe mir eine Kurzgeschichte dazu.

Die Antwort kam postwendend: Erik und Stefan saßen auf der Couch und blätterten durch ihre Lieblingsbücher, als Erik eine dringende Frage hatte, die er ChatGPT stellen wollte. Er öffnete die App auf seinem Handy und begann zu tippen. "Wie kann ich meinem Hund helfen, wenn er Angst vor Gewitter hat?" fragte Erik und wartete auf eine Antwort von ChatGPT.

Wenige Sekunden später antwortete die KI: "Es gibt verschiedene Methoden, um Hunden bei Gewitterangst zu helfen, wie zum Beispiel das Erstellen einer sicheren und gemütlichen Umgebung für ihn, die Verwendung von Entspannungstechniken und die Beruhigung durch Stimme und Körperkontakt." Erik und Stefan lasen die Antwort aufmerksam und beschlossen, einige der Tipps auszuprobieren, um ihrem geliebten Asco zu helfen. Sie waren dankbar für die Unterstützung von ChatGPT und wussten, dass sie immer auf die App zurückgreifen konnten, wenn sie Fragen oder Probleme hatten. Am Ende des Tages kuschelten sie sich alle zusammen auf die Couch und lasen weiter in ihren Büchern, während Asco friedlich einschlief und von den Gewitterängsten geträumt haben mag.


Ich kann ihnen versichern, dass diese Kolumne bis auf den Kursiv-Text selbst geschrieben wurde. Der Test ist echt! Doch erstaunte mich die Antwort der KI schon, auch wenn ich sie hier etwas verkürzt wiedergegeben habe. Versuchen sie es selbst mal, oder lassen die Finger davon – wie es beliebt. Denn wir drei werden den Mai geniessen – und Asco hat glücklicherweise keine Angst vor Gewittern, also brauchen wir auch keine Angst vor einer KI zu haben.


April 2023 – macht was er will



Stürmisch hielt der April Einzug. So stürmisch, dass sogar Züge im Seeland umgekippt wurden. Wie lange geht es wohl, bis wir Tornados wie in den USA haben? Stürmische Zeiten, wie eine Radiomoderatorin am 1.April von sich gab und das war kein Aprilscherz, wie der, dass das Aprilwetter nun Märzwetter heissen soll, weil alles etwas früher stattfindet. Meine Aufmerksamkeit erhielt in diesen Tagen etwas ganz anderes: Ein Geschäfts-Mail mit der Überschrift COLT …

An was denken denn sie, wenn sie COLT lesen? An die Waffe? An die Fernsehserie «ein Colt für alle Fälle» oder an die Kerle der COLT-Magazine? Denn praktisch jeder Schwule kennt die COLT-Männer. Die schwule Bilderwelt wäre ohne Jim French, den Gründer von COLT, um einiges ärmer: 1967 gründete er unter dem Pseudonym Rip Colt die "Colt Studio Group", um seine Werke zu vertreiben. Mit seinem Stil bestimmte French die schwule Ästhetik mit: Seine Aktporträts und Pornos zeigen stets kraft- und testosteronstrotzende Männer, die in maskulinen Posen abgelichtet wurden. Sein unverwechselbarer Stil brachte Bilder und Zeichnungen hervor, die als legendär gelten – allen voran die Zeichnung "Longhorns – Dance", die erstmals 1969 veröffentlicht wurde. Der Fotograf, Filmproduzent und Autor Jim French ist 2017 im Alter von 84 Jahren gestorben. Sein Stil ist bis heute geblieben, wenn auch von Vielen nachgeahmt oder dann gerade ins Gegenteil gedreht.



Auch bei mir hinterliessen die kraftstrotzenden Männer ihren Eindruck – damals als junger Kerl wollte man auch möglichst so cool aussehen. Heute mag das etwas naiv klingen und die Welt hat sich weitergedreht und von den Papiermagazinen dem Internet zugewandt. Wir fanden tatsächlich auch ein Bild von Bruno, im Zuge seines Cybermobbings, mit seinem Kopf auf einem COLT-Kerl montiert. Das hat uns alle drei schon eher amüsiert, zumal Stefan praktisch aus einem der Magazine entsprungen sein könnte und wir schon zu fantasieren begannen, wie er wohl mit Brunos Kopf aussehen könnte.



Zurück zum Geschäftsmail. Im ersten Moment war ich amüsiert, wie jemand auf diese Idee mit COLT kommen konnte. Doch COLT stand für nichts anderes als «Crossover Lunch Table». Die Idee dahinter: Sich zu bestimmten Terminen mit anderen Menschen quer durch den Betrieb bei einem Essen zu treffen. Notabene mit Menschen, die man nicht kennt oder mit ihnen zusammenarbeitet – quasi Chat live! So habe man auch die Möglichkeit in andere Sparten des Betriebes zu sehen. Jemand, den man vielleicht schon gesehen hat oder jemand Fremden gegenüber zu sitzen und zusammen zu essen, kann seinen Reiz haben. Schliesslich arbeitet man im selben Betrieb. Die Chats in GayRomeo und Co. verlaufen meist anonym ab – hier sieht man die Menschen direkt und die sexuelle Ausrichtung ist nicht gefragt, auch nicht das Aussehen, oder was auch immer, sondern die Direktheit mit dem gegenüber. Eine interessante Idee. Stefan und ich wollen da mal hin – könnte spannend werden.



Übrigens: Der Hund von Bruno heisst «Nalo» Im Film «König der Löwen» von Disney heisst das weibliche Löwenkind Nala, das erst mit Simba aufwächst und ihn später wieder findet. Für Bruno war der Name von Anfang an klar. Nalo steht für nichts anderes als für «Namenlosen» wie ihn Hans am Anfang genannt hatte. Und Bruno und Nalo sind wirklich unzertrennlich – wie ich und Asco und auch Stefan.

Wenn sie im April mal über einen lustigen Namen stolpern, oder sie das Gefühl haben, es sei ihnen einen Bären aufgebunden worden, muss das nicht zwangsläufig ein Aprilscherz sein. Und wenn sie auf eine komische Idee stossen – es könnte mehr dahinter sein und ein zweiter Blick kann sich lohnen. Ich wünsche ihnen einen schönen April, machen sie, was sie wollen, denn der April macht es auch – wettermässig jedenfalls … und vergessen sie den Osterhasen nicht.



März: Frühlingsgefühle

Die Temperaturen sind verführerisch warm, zu warm. Nun, für gewisse Leute sogar heiss. War doch Valentinstag – der Tag der Liebe. Ein Eldorado für Verliebte, für die ganze Herzchen- und Rosenindustrie. Doch eben nicht für Alle. Bruno ist immer noch sehr niedergeschlagen wegen seiner Cybermobbing Geschichte und geniesst mit Stefan, Asco und mir lange Spaziergänge. Und ab und zu geschehen im Frühling auch Dinge, die man nicht für möglich hält.

Wir haben uns mit Bruno in den letzten Wochen intensiv auf die Suche nach weiteren Fake Profilen von ihm gemacht. Das Eine und Andere haben wir noch gefunden. Doch sie wissen, das Netz ist unendlich und man sagt nicht vergebens «das Netz vergisst nie!» Trotzdem: Bruno schöpft Hoffnung und ist uns dankbar, dass wir uns «seinem Fall» angenommen haben. Doch er wolle sich auf Neues konzentrieren. Vom Netz habe er erst mal genug, von Beziehungen auch und hat durch uns gesehen, dass es auch anders geht. Vor allem in Asco hat er sich verliebt und zeitweise sind die zwei kaum auseinander zu bringen. Nun ist er am Abklären, ob ein Hund für ihn auch in Frage kommen könnte.

Nicht umsonst gilt der Hund als der beste Freund des Menschen. Doch verlangt auch eine konsequente Haltung und Erziehung. Nur aus einem Gefühl heraus, kann das ziemlich eine Kurzschlusshandlung sein. Ich erzählte Hans davon – als er den Lift bei mir mal wieder kontrollierte. So nahm er Bruno mit in ein Training – und war begeistert, wie die Hunde auf Bruno reagiert haben. Das ging über mehrere Trainings und Bruno bekam immer mehr Freude mit den Hunden zu arbeiten. Ist da eine neue Liebe im Anzug?

Aus dem niedergeschlagenen Bruno vor ein paar Wochen, ist wieder der Bruno geworden, denn ich vor Jahren kennen gelernt hatte. Sein Leuchten ist in seine Augen zurückgekehrt. Er hat sein Lachen wieder gefunden. Tollt mit den Hunden umher, wie wenn er Einer von ihnen wäre. Heute ist ihm egal wie er dann aussieht, wie dreckig seine Kleider sind, ob seine Frisur noch in Ordnung ist – doch auf seinen Bart hält er immer noch grosse Stücke. Jetzt lachen wir zusammen über die Zeiten, wo wir eben nicht zusammengefunden hatten – weil er damals ziemlich pingelig, selbstverliebt und von sich eingenommen war. Er hat sich verändert und dies zum Guten, wie er selbst sagt. Er ist auch froh, dass es damals mit uns beiden nicht geklappt hat, doch in mir einen Freund gefunden hat, dem er vertrauen kann, der in seinen Augen mit Stefan den tollsten Partner der Welt hat und er sich für mich freut. Und ich glaube ihm jedes Wort. Ab und zu braucht es einen Tiefpunkt im Leben, dass man die Augen öffnet und Sicht für anderes bekommt.

Gestern dann platzten Hans und Vreni bei uns herein. Bruno war auch da, weil wir ein gemeinsames Nachtessen organisiert hatten. Hans ging ohne Umschweife direkt zu Bruno und drückte ihm ein kleines Wollknäuel in die Hände. Dies sei der «Namenlose», der Letzte von einem Wurf und wenn Bruno möchte, dürfe er den «Namenlosen» in ein paar Wochen zu sich nach Hause nehmen. Bruno war so aufgelöst, dass er sich nicht entscheiden konnte, ob er nun lachen oder weinen sollte. Wir nahmen ihn in den Arm. Hans beharrte noch darauf, wenn Bruno zusage, so müsse er regelmässig zum Training kommen.  Dann gab es Nachtessen für alle und Asco beschnupperte den Kleinen eindringlich.

So schlimm es für Bruno in den letzten Monaten war, keimt da eine neue Liebe auf, doch auch eine grosse Verantwortung. Stefan und ich wurden zu Paten erkoren, Asco als Vorbild und Verni und Hans hatten mehr als Freude, einen neuen und guten Hundehalter zu bekommen, denn Bruno muss wie der Kleine viel lernen. Und in den Händen von Hans kann das nur gut gehen.

Machmal schlägt eine Türe zu und es öffnet sich eine Neue. Unerwartet und so anders, dass es das ganze Leben umkrempeln kann. Einen wunderschönen März und wie der «Namenlose» heissen wird, erfahren sie sicher an dieser Stelle.


Februar: Indiskretionen

Es ist in aller Munde, die Indiskretionen um Bundespräsident Alain Berset und seinem ehemaligen Informationschef. Was ist wahr, was schaukeln die Medien hoch oder höher. Hand aufs Herz! Sind sie nicht auch schon mal an Indiskretionen beteiligt gewesen oder haben sie sogar ausgelöst? Unsereins tratscht gerne und oft kommen – wenn vielleicht ungewollt – Indiskretionen in Umlauf... und das kann erst der Anfang sein.

Da genügt schon: «Du ich habe gehört, dass Der, mit Diesem, hat mir XY erzählt, der mitbekommen hat, dass AB die zwei gesehen haben soll, aber auch nur von weitem». Die wildesten Spekulationen machen die Runde und keiner von uns ist davor gefeit. So stand Bruno eines Tages bei mir vor der Türe. Ich sah ihm sofort an, dass etwas nicht stimmte. Bruno – sie wissen, der Kleine mit dem schönen Bart, mit dem mich meine Kumpels am Adventsmarkt 2021 verkuppeln wollten, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon Stefan hatte. Bruno und ich pflegen seit damals einen lockeren Kontakt und in letzter Zeit habe ich nicht mehr viel von ihm gehört. Doch was ich jetzt vor mir hatte, erinnerte mich nur vage an den Bruno, den ich kenne. Er war seit dem letzten Nachtessen vor drei Monaten dünner geworden, sein Bart war wild, der Schalk und das Funkeln in seinen Augen erloschen. Kurz gesagt, er sah jämmerlich aus. Ich bat ihn herein und umarmte ihn, und schon brach es aus ihm heraus und er weinte, heulte regelrecht, dass es ihn von oben bis unten schüttelte. Sogar Asco kam und schmiegte sich an seine Beine.

Nachdem wir uns gesetzt hatten, Asco keine Sekunde von seiner Seite wich, ich Kaffee machte, erzählte er mir, was vorgefallen war. Sein neuer Freund hatte tatsächlich Schluss gemacht. Wegen einem Inserat im Netz, das seinem Freund gezeigt wurde und das Bruno angeblich geschrieben hatte. Doch Bruno hatte Facebook, seine blauen Seiten und alles gelöscht, in denen er früher etwa unterwegs war. Er sagte mir, dass schon länger jemand seinen Namen und ganze Blöcke von weit zurückliegenden Profilen benutzt. So fand er vor ein paar Monaten ein lange gelöschtes Profil auf Tinder Australia – was bitte schön solle er mit einem Profil in Australien – und dann noch Tinder. Ausserdem stimmte da Einiges nicht, was geschrieben war, das Bild zeigte aber tatsächlich ihn.

Cybermobbing nennt sich das, wenn jemand Unwahrheiten, Verleumdungen, entwürdigende Fotos online veröffentlicht oder Identitäten stiehlt. Bei Brunos Fall eben ein Inserat in einem Sexforum, bei dem man registriert sein muss, um Zugang zum Forum zu haben; um das Inserat überhaupt zu sehen! Nach ein paar Mails mit dem Administrator wurde Brunos angebliches Profil gelöscht und der Nutzer gesperrt. Allerdings durfte uns aus Datenschutz nicht mitgeteilt werden, wer hinter dem Profil stand.

Cybermobbing bedeutet auch eine hohe psychische Belastung und kann dazu führen, dass Betroffene sich zurückziehen, isolieren, auch Suizidgedanken haben. Glücklicherweise hat sich Bruno mir anvertraut. Doch Cybermobbing in der Art war auch mir neu. Da hatte es wirklich jemand auf ihn abgesehen. Einen Verdacht hatte er, einen Kerl den er damals abblitzen liess und nun wohl neidisch war. Der Täter kann anonym agieren. Langeweile, Neid, Frust und auch Hass oder sich cool und mächtig fühlen, kann Auslöser sein. Das schlimme daran: Cybermobbing bedeutet einen Eingriff rund um die Uhr in das Privatleben der Opfer. Cybermobbing an sich ist nicht strafbar, aber es ist möglich, gegen einzelne, strafrechtlich relevante Tatbestände vorzugehen.

Ich versuchte nun in den folgenden Tagen mit Bruno und Stefan herauszufinden, was noch alles über Bruno im Umlauf ist. Google war ein Beginn…. Haben sie sich schon mal selbst gegoogelt? Sie werden erstaunt sein. Seien sie vorsichtig in der digitalen Welt, mit wem sie sich abgeben, auf wen sie sich einlassen. Doch haben sie auch weiterhin in der digitalen Welt Spass – ist die digitale Welt auch zum Kontaktort geworden, in der man wunderbare Menschen in der Realität kennen lernen kann. Auch wenn es manchmal seine Zeit dauert und man zuerst skeptisch ist. Ein Versuch lohnt sich.


Januar: Vorstäze

Sind sie auch jemand, der sich zum Anfang des neuen Jahres immer wieder Vorsätze macht – die meistens nicht eingehalten werden oder nur kurz. Ich hab’s aufgegeben. Ein paar Dinge habe ich mir schon im Laufe des letzten Jahres vorgenommen. Zum Beispiel bewusster zu essen. Da brauche ich keinen Veganuary, der Dir vorschreibt, mal keine tierischen Produkte zu essen. Und um mir mal nur mit Gemüse den Bauch voll zu schlagen brauche ich keine Hinweise der Nahrungsmittelindustrie und der Veganen Gesellschaft Schweiz. Oder doch? Sollten wir nicht schon längst umdenken?

In den letzten zwei Jahren, lernte ich durch Stefan, was Ernährung alles ausmachen kann. Ich lasse mittlerweile viel Süsses liegen, ausser an den Weihnachtsguetzli meiner Mutter und den selbstgemachten Pralinés eines Freundes führt kein Weg vorbei. Ich esse mittlerweile viel mehr Gemüse, Fleisch muss nicht jeden Tag sein, Proteine und Eiweiss schon. Sogar Asco mag zwischendurch ein Rüebli, obwohl ihm ein Knochen eindeutig lieber ist. Durch das Training, in das Stefan mich damals mitgenommen hat – ich es zwar nicht im selben Mass betreibe wie er - habe ich mich seiner Ernährung angepasst. Zum Guten für mich. Es führte dazu, dass ich mich mit Ernährung auseinandergesetzt habe, dass Stefan schon Angst hatte, ich wolle mich auf Ernährungscoach umschulen.

Es braucht für mich keinen Veganuary, sehe aber dennoch Vorteile, Leuten zu zeigen, wie man sich auch noch ernähren kann - ohne dass man jetzt ein Veganer werden muss. Wenn ich sehe, wie ungesund sich viele Leute ernähren, ist gegen einen Veganuary wenig einzuwenden, ausser dass zu aggressiv darauf aufmerksam gemacht wird. Nichts gegen ein gutes Stück Fleisch oder einen saftigen Hamburger mit Pommes – muss ab und zu sein. Ich habe an mir bemerkt, dass ich vielmehr mit frischen und auch rein pflanzlichen Zutaten koche, eigene Mahlzeiten auch mit ins Geschäft nehme und dort mit Stefan esse, als im Restaurant. Unbewusst folgte ich da einem Trend, den junge Leute vermehrt aufgegriffen haben. Maximal Fünf Franken pro eigens hergestellter Mahlzeit und pro Person war so ein Motto. Mittlerweile gibt es sogar Kochbücher davon, die zwei junge Leute gemacht haben – in einer veganen und nicht veganen Variante. Diesmal hat kein Grosskonzern a la Betty Bossi, bzw. Coop, diesen Trend ins Leben gerufen.

Asco bekommt immer noch täglich seine Fleischration. Einen Hund vegan zu füttern, finde ich das Dümmste, was ein Hundehalter tun kann. Gemüse beimischen ist da was Anderes und ganze Äpfel hat Asco schon immer gemocht – woher er das hat, weiss ich nicht, doch schon als Welpe war das so.  Ich habe meine Essgewohnheiten geändert, ohne mir einen Vorsatz fürs neue Jahr gemacht zu haben. Und wie ist es bei ihnen? Starten sie genau gleich ins neue Jahr wie sie das Alte aufgehört haben? Oder haben sie sich doch etwas vorgenommen, den einen oder anderen Vorsatz gemacht? Wie auch immer, geniessen sie den Start ins neue Jahr und bleiben sie wie sie sind – nämlich sich selbst. Ein Prost auf’s 2023!


Dezember: Er, Sie, Es

Der Samichlaus, die Weihnachtszeit, das Christkind. Alle Jahre wieder und doch nicht immer gleich. Während es teilweise in höheren Lagen Schnee hat, ist bei uns im Flachland nichts zu merken. Kühler ist es geworden, das merke ich bei meinen Spaziergängen und Joggingrunden mit Asco und es braucht teilweise schon Überwindung raus zu gehen. Da ist Trainieren mit Stefan im geheizten Klubkeller direkt angenehm. Doch wie lange noch – steht die Energiekrise wirklich vor der Türe?

Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Einerseits wird man von den Medien eingedeckt mit Szenarien zur Energiekrise. Oder nimmt man das Krisenszenario zum Anlass, weil sich Einer im Osten austobt? Schon zu Coronazeiten sprach man von Krise, was merken wir heute davon? Vergessen wir die anderen Konflikte und Krisen auf der Welt, weil nur noch gegen Osten geschaut wird, wo gedroht und gefordert wird? Doch Somalia auf dem afrikanischen Kontinent ist nicht einfach weg, andere Länder und Konfliktherde ebenso wenig. Und da soll man sich einstimmen zum Fest der Liebe? In den Warenhäusern und Einkaufszentren wird man schon seit Wochen eingelullt mit Weihnachtsmusik und wird mit allerlei Firlefanz geblendet. Was man Alles haben müsse, was zum Verschenken geeignet sei. Wie wär’s mit etwas Zeit? Zeit zur Besinnung – Zeit für etwas mehr Ruhe.
 
Und glaubt man den Medien, so haben wir hier in der Schweiz auch gerade eine kleine Krise. Jaja, ‘ER’ hat es heraufbeschworen. DER Ueli Maurer! Mit seiner Antwort: « … Hauptsache kein ‘ES’» Er dürfte wohl nicht die Clown Figur aus Steven King’s Gruselroman «ES» gemeint haben. Dennoch, reagiert wurde – von einem ‘ES ‘(wobei ist es da richtig?), Kim de l’Horizon. Finde ich so weit so gut. Auch Stefan fand, auf die Aussage von Maurer müsste man reagieren. Allerdings müssen wir uns Queers wirklich so weit aus dem Fenster lehnen? Andererseits dürfen wir uns auch nicht alles gefallen lassen.

Als ‘SIE’ beschloss aufzuhören, wurde wieder alles anders. Simonetta Sommaruga gab ihren Rücktritt aus privaten Gründen bekannt. Plötzlich war das Ueli-Kim Gezeter weg und die Gleichstellungspartei stellte klar, es dürfen nur Frauen aufgestellt werden, was wiederum ein Mann, Daniel Jositsch, diskriminierend fand. Ich mit ihm! Hallo? Wo kommen wir da hin? Genauso wenig weit, wie wenn Ueli und Kim zusammen würden ein Bier trinken gehen. Genügt es nicht, vielleicht bald einen offen schwulen Bundesrat zu haben? Oder kehren wir ins Mittelalter zurück mit Vögten und Herzogen? Ich meine jetzt nur die Titel - wie beim Tell, gell. Und ein Lieblingsgericht der Schweizer ist ja eh Rösti. Doch mit Baume-Schneider kann ich jetzt beim besten Willen keine solche Wortspielerei herholen – wird SIE uns alle verblüffen?

Die andere Frage – interessiert das Vorgeplänkel zur Bundesratswahl? Im Tram eben so wenig wie am Stammtisch. »Die in Bern oben, machen eh was ihnen passt», hört man häufig. Genau, denn DAS Parlament wählt die Bundesräte, nicht die Frau oder der Mann von der Strasse. Die Leute sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Kann ich den Strom noch bezahlen, die Krankenkasse und die Lebensmittel werden auch immer teurer. Was bleibt zum Leben? Das sind die Fragen, die beschäftigen. Nicht mediengemachte Skandälchen, zwischen einem Buchpreis Gewinner und einem Noch-Bundesrat oder einer Partei, die ihre eigenen Prinzipien über den Haufen wirft, was meine Meinung ist.

Stefan findet ich grüble da zu viel und Asco schaut mich bisweilen eh nur schräg an. Der freut sich nämlich immer auf Weihnachten. Er sitzt jeweils ganz verzückt vor dem Weihnachtsbaum und schaut den Kerzen beim Flackern zu. Auch dieses Jahr werden es wieder echte Kerzen am Baum sein. Sie wissen ja – Energie sparen und die echten Kerzen verbreiten einen kleinen Zacken mehr Weihnachtsgefühl. Nun noch die selbstgemachten Guetzli dekorieren, planen, wie und mit wem man Weihnachten verbringen will und da ist es egal ob mit einem ER, einer SIE oder einem ES. Nehmen wir uns alle in die Arme und feiern das Fest der Liebe. Schöne Weihnachten Euch Allen.



November: Vergesslichkeit

Jetzt ist es doch tatsächlich passiert. Ich hab’s vergessen! Also besser gesagt, den ganzen Monat vergessen. Hatten Sie das auch schon, dass Sie etwas vergessen haben? Ich meine jetzt nicht den Autoschlüssel, die Rechnung zu bezahlen, den Batch, damit sie ins Geschäftsgebäude kommen oder den Geburtstag eines Freundes. Ich meine Etwas mit schwerwiegenden Folgen.

Der November gilt als Monat des Gedenkens an die Toten – nicht nur bei den Katholiken. Das steht sicherlich damit im Zusammenhang, dass der Monat November den Übergang vom Herbst zum Winter bereitet, dass die Tage kürzer und dunkler werden und dass wir sehen, wie in der Natur nach und nach alles stirbt. Und in meiner Verliebtheit für Stefan habe ich ganz vergessen, meinem langjährigen Freund – ein Freund fürs Leben, wie man so schön sagt – Anfangs Monat eine Kerze anzuzünden. Er verstarb bei einem Autounfall Anfangs Jahr und dies mich hat schwer erschüttert. Stefan war in dieser Zeit da für mich, Asco trug das seinige dazu bei und all meine Freunde wie Hans und Vreni und auch Christoph sorgten sich um mich. Ich weiss, ich habe Ihnen im April nichts davon erzählt, sondern von Schoggihasen und meinen erweiterten Joggingrunden. Die dienten zwar auch um die Schoggihasen kalorienmässig zu tilgen. In Wahrheit joggte ich, um mich vom Verlust abzulenken, um zu vergessen.

Und jetzt habe ich vergessen, eine Kerze für Ihn anzuzünden. Vergessen, wen ich in meinem Leben sonst schon alles verloren habe. Meine Eltern, meine Gotte, Freunde, liebe Menschen die für mich von klein auf da waren, die mich ein Leben lang begleitet haben. Vergessen, dass da liebe Menschen waren, die immer ein offenes Ohr hatten, die in jeder Situation zu mir standen, Menschen, die mich liebten; Menschen, denen ich etwas bedeutete. Und ich vergesse sie einfach.

Es ist nie zu spät, wieder an sie zu denken und darum gibt es für Alle eine Kerze und nicht nur Anfangs Monat. Ein Licht in dunklen Zeiten. Und beim Anblick der vielen Sterne am klaren Nachthimmel, wissen sie, dass Einer auch für sie leuchtet und funkelt. Suchen sie sich einen aus – doch der in der Mitte hinten links gegen Westen ist schon vergeben.  Asco ist zwar ob den vielen Kerzen, die mittlerweile in meiner Wohnung stehen, etwas irritiert. Stefan hingegen findet es schön, romantisch und heimelig, auch wenn ich vergessen habe, ihm zu sagen, dass ich morgen ein zweitägiges Meeting habe und weg bin. Er grinst mich nur an, als es mir in den Sinn kommt und meint, dass es nicht so schlimm sei. Er werde auf Asco aufpassen und die Einkäufe für sein Geburtstagsessen lassen sich auch einfrieren.  Sein Geburtstag? Wie konnte ich den bloss vergessen?

Entweder ist jetzt die Zeit für Ginseng, Ginko, Vitamin B Präparate und anders mehr. Oder ganz einfach wieder zu analogen Techniken, wie Papierkalender? Machen sie es, wie ihnen beliebt, doch versuchen sie, gewisse Dinge nicht zu vergessen. Man könnte es ihnen übelnehmen oder es könnte jemand enttäuscht sein, ohne dass sie dies wollten.
Und bevor ich’s vergesse: Einen angenehmen Novembermonat. Lassen sie sich vom Kerzenlicht umschmeicheln und kuscheln sie sich in Ihre Lieblingsdecke; ob vor dem Fernseher oder bei einem guten Buch.

Oktober: Von Jungs und anderen Männern

Am Montag nach der AHV-Abstimmung begrüsste unsere Kollegin Stefan und mich mit den Worten: «Jungs, ich freue mich, ein Jahr länger mit Euch zu arbeiten.» Klar war das bezogen auf die Abstimmung und dass Frauen nun auch bis 65 arbeiten sollen. Ueli Maurer, der jetzt als Bundesrat seinen Rücktritt bekannt gab, hat gezeigt, dass es sogar bis einundsiebzig geht. Was mich allerdings an Nadines Aussage störte, war das «Jungs», auch wenn ich sie schon lange kenne und weiss wie sie es meinte. Doch, wie war das schon nur mit der Gleichberechtigung? 

Da redet man von Gleichberechtigung, sicher haben sie sich in der Schweizer Illustrierten mal die Bilderstrecke mit den Promis in der Badewanne angeschaut? Nein? Da waren sogar mehr Männer auf den Bildern zu sehen, als Frauen. Das nenne ich mal Fortschritt, wenn auch die Männer nicht gleich erotisch ins Bild gesetzt wurden, wie die Frauen. Und weniger Frauen, weil man dann eh sofort auf Wörter wie «sexistisch» «Klischee» und so weiter gestossen wäre.

Ich wundere mich, dass wir Männer immer so ruhig sind und uns vieles gefallen lassen, wenn es um uns Männer geht. Zum Beispiel habe ich bei Nau.ch gelesen: «Diese beiden Bubis sehen wir einmal in der Premier League» Gemeint sind zwei YB-Spieler im Alter von 18 und 19 Jahren, Profis - eigentlich. Laut dem Nachrichtenportal aber auch Bubis. Auf dem gleichen Kanal erfährt die Leserschaft zudem, «welche Männer unverbesserliche Muttersöhnchen sind». Andernorts im Blätterwald macht man sich Gedanken über den Marlboro-Mann und über den Mythos des «richtigen Kerls». Zu Papier gebracht wurden diese Gedanken unter dem Titel «Als der Cowboy noch kein Weichei war».

Weichei, Muttersöhnchen, Bubi – alles Bezeichnungen, um eine Person herabzusetzen. Dass entsprechende Bezeichnungen bei Frauen nicht in Ordnung sind, haben wir gelernt. Aber grundsätzlich gilt: Niemand, der auch nur einen Deut auf Qualität gibt, würde ähnliche Begriffe bei der Berichterstattung über Frauen verwenden. Warum aber akzeptiert die Leserschaft es bei uns Männern? Mann stört sich zwar an solchen Ausdrücken, doch tatsächlich dagegen gewehrt hat sich bisher keiner so recht. Niemand erklärt, dass die Verulkungen eigentlich Verletzungen sind. Keiner prangert den Sexismus an, der in solchen Bezeichnungen steckt.

Da Männer sich im Einzelnen stören, kann davon ausgegangen werden, dass sie als Gruppe nicht einfach resistenter sind. Viel eher dürfte es an den noch immer geltenden gesellschaftlichen Normen liegen, die auch im Jahr 2022 dazu einladen, von «einem richtigen Mann» zu sprechen. Solange Männer «echte Kerle» sein sollen, braucht es als Gegenstücke Bubis und Weicheier. Es wäre an der Zeit, damit aufzuhören.

Zurück im Büro. «Nadine, mein ‘Girlie’, ich hole jetzt eine Flasche Prosecco und die ‘Jungs’ stossen mit Dir darauf an, Deine Sprüche ein Jahr länger ertragen zu müssen.» Schallendes Gelächter und angestossen haben wir ganz gemütlich nach Feierabend. Es wäre so einfach.

Danke für die Auszüge an Nadine A. Brügger und die Inspiration.



September: Auf den Hund gekommen

Asco begleitet mich nun schon einige Jahre und durch ihn hatte ich vorwiegend positive Erlebnisse mit meinen Mitmenschen. Selbst mit denen, die Angst vor Hunden haben. Da hilft es nicht, bei einem ängstlichen Menschen zu sagen: «Er macht nichts.» Asco merkt dies von selbst und läuft brav neben mir oder setzt sich, sollte es ein Gespräch geben. So fasst das Gegenüber Vertrauen und Asco wird ab und zu mit einem vorsichtigen Streicheln belohnt. Nein, mein Hund ist kein Therapiehund, doch gewissen Mitmenschen würde eine Therapie in Benehmen guttun.

Auf einem Spaziergang durch die grosse Stadt, wollten Stefan und ich in einem Gartenrestaurant mit toller Aussicht etwas trinken. Leute hatte es nicht viele und Asco sträubte sich. Etwas schien ihm nicht zu gefallen und ich hätte auf seine Signale hören sollen. Kaum setzten wir einen Schritt in den Garten, wurden wir vom Wirt mit einem: «Käi Hünd!» empfangen. Weder ein ‘Guten Tag’ noch ein nettes darauf hinweisen oder ein Schild, dass Hunde nicht erwünscht sind! Kaum um die Ecke gebogen, war das Gegenteil der Fall. Asco bekam sogar Wasser in einem Napf, ohne dass wir fragen mussten – der Wirt war Hundeliebhaber und Asco wurde noch vor uns begrüsst.

Ebenfalls statteten wir der höchsten Schweizerin einen Besuch ab. Sprich: wir gingen in den Zoo Zürich, auch wegen den jungen Schneeleoparden. Allerdings durfte Asco diesmal nicht mit und durfte bei Hans und Vreni bleiben, denn Hunde sind im Zoo nicht erlaubt. Seit meinem letzten Besuch hat sich vieles verändert und wird sich mit den geplanten Projekten noch mehr verändern. Genial fand ich die Lewa Savanne mit eben der höchsten Schweizerin, den Giraffen, aber auch Zebras, Nashörnern und Strausse. Etwas traurig war es beim Elefantengehege, da mehrere Elefanten am Herpesvirus gestorben sind.

Doch abgesehen davon, entdeckte ich mit Stefan traurige und besorgniserregende Tatsachen. Die Kinder hatten ihre Freude, auch wenn nur der Wasserfall im Elefantenpark ohne die Tiere zu sehen war. Eltern hatten kein Verständnis, wenn die Kinder einfach ins Gehege reinsehen möchten, vielfach hörte ich von den Erwachsenen: «Da ist kein Tier zu sehen!» oder «Komm, wir müssen weiter» und starrten dabei auf ihr Handy. Stefan und ich sassen eine knappe halbe Stunde vor dem Tigergehege. Einer der Tiger lag hinter einem Holzstamm und schlief, man konnte ihn nur ansatzweise sehen. Hobbyfotografen kamen mit ihren grossen Kameras und zottelten nach ein paar Minuten wieder ab, weil nur der zuckende Schwanz zu sehen war. Kaum waren sie weg, stand der Tiger auf, trottete zum nächsten Platz und liess sich wieder nieder. Ich konnte die Aktion wunderbar mit meiner Kompaktkamera fotografieren.

Geduld scheint in dieser Stadt nicht zu existieren, ist wohl ein gesellschaftliches Problem heutzutage. Im Tram zurück in die Stadt, stürmten ein paar Kinder unter lautem Gejohle ins Tram und auf die Sitze, wo wir gerade absitzen wollten. «Löhnt Sie doch d’Chind la sitze» Kam es von der einen Mutter. «Wenn ihre Goofen nur einen Funken anstand hätten, wüssten sie, dass man älteren Menschen den Vortritt gibt.» kam es postwendend von mir und Stefan fügte trocken und mit einem abschätzigen Blick an: «Aber eben, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – man siehts.»  Zürich – Zür- ich – ich. Hauptsache ich! dachte ich. Obwohl mir Zürich ja ganz gut gefällt und es ein paar ganz lauschige Plätze hat.

Die Ich-Gesellschaft! Leider nicht nur in Zür-ich…Dabei wäre es so einfach, ein WIR daraus zu machen. Asco zeigt mir dies bei unseren Begegnungen mit anderen Menschen immer wieder. Wo es sich lohnt, bleibt er stehen und ist neugierig, wenn er einfach weiter geht und sich nicht interessiert oder sogar sträubt, wie eingangs beim Gartenrestaurant, weiss ich: Auf meinen Hund kann ich mich verlassen. Auch wir sollten mehr auf unsere innere Stimme hören. Guten Start in den bevorstehenden Herbst.


August: Hundstage

Es ist heiss, zum verrückt werden heiss. Asco sucht sich die kühlsten Ecken in der Wohnung. Auf der Terrasse sieht man ihn kaum, nicht mal mehr im Whirlpool, der so aufgeheizt wird, dass er locker als Thermalbad durchgehen kann. Sogar die kühlen Drinks sind in Sekundenschnelle warm, da nützen auch haufenweise Eiswürfel nichts mehr. Wir sind mitten in den Hundstagen, doch die haben mit den Vierbeinern rein gar nichts zu tun.

Namensgeber für die Hitzeperiode ist das Sternenbild «Großer Hund» mit seinem hellsten Stern Sirius (Hundsstern). Der Zeitraum, in dem Sirius am Morgenhimmel sichtbar war, bezeichneten die Römer damals als "Tage des Hundes" und zufälligerweise fiel diese Zeit mit den heissesten Tagen des Jahres zusammen – heute eben Hundstage. Der "Große Hund" mit dem Stern Sirius ist in der heutigen Zeit frühestens am 30. August sichtbar. Gesehen habe ich Sirius noch nie, jedenfalls nicht bewusst – ausser Sirius Black in «Harry Potter» oder das Stück «Sirius» gehört auf einer Alan Parsons CD. Der Zeitraum der Hundstage zwischen dem 23. Juli und 23. August wurde von damals beibehalten. Asco interessiert das herzlich wenig, er ist froh, wenn er sich in diesen Hitzetagen an einen kühlen Ort zurückziehen kann.

Überall ist ein Ächzen und Stöhnen ob der Hitze zu hören, in den Geschäften laufen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Tritt man ein, hat man das Gefühl zu erfrieren und sehnt sich nach einer Faserpelzjacke. Und sobald man aus dem Laden kommt, trifft einem die Hitze wie eine Wand und man fragt sich, warum ich nicht in der Badehose dastehe. Die Wassertemperaturen brechen Rekorde, Flüsse und Seen sind so warm wie nie und wenn’s mal regnet, dann relativ heftig und oft von Hagel und Gewitter begleitet. Meine Terrasse ist bis auf einen Hagelschauer mit kleinen Hagelkörnern verschont geblieben.

Andererseits hat meine Waschmaschine Hochkonjunktur. Ich verschwitze mehrere T-Shirts pro Tag, geschweige denn vom Rest, wie Unterhose oder die kurzen Hosen, die ich trage. Auch wird die Bettwäsche öfters als sonst gewechselt, die so verschwitzt ist, weil die Nächte nicht abkühlen und das offene Fenster nichts nützt. Ausserdem, wenn Stefan da ist, habe ich ab und zu das Gefühl, in einem Dampfbad zu übernachten. Und im Gegensatz zu gewissen Nachbarn, haben wir ob der Hitze gewisse Bettaktivitäten eingestellt – oder schliessen das Fenster. Was zur Folge hat, dass es noch heisser wird. Ich weiss, was sie jetzt gerade denken…

Auch ein kühles Bad nützt nur kurz etwas. Da habe ich mir einen tollen Badezusatz gekauft. Maracuja/Grapefruit steht da drauf – nicht zum Verzehr geeignet. Logisch will ja nicht die Badewanne aussaufen… auch wenn es wie Mineralwasser schmeckt und man bei der Hitze viel Wasser trinken sollte. Wasser! Nicht Prosecco! Kühl duschen mit Stefan ist schon eher angesagt, weil eben auch der Whirlpool mehr Thermalbad ist und nur noch die Terrassendusche etwas Abkühlung bringt. Ich überlege mir ernsthaft, ein paar Bäume auf meine Terrasse zu stellen, die Schatten spenden und kühlend wirken und eine Baugenehmigung, wie bei einer Pergola, ist da wohl nicht nötig.

Jedenfalls suchen Sie sich ein kühles Plätzchen, am besten mit einem noch kühleren Drink in der Hand, der
hoffentlich nicht subito warm wird. Prost auf den Sommer. Geniessen sie ihn, solange er noch da ist.


Juli: Sommerzeit - Ferienzeit

Während einem Kurztrip in die französischen Alpen nach Grenoble ist mir unterwegs ein Plakat aufgefallen. «Salon célibataire» stand da drauf. Am Samstagabend in der Gemeindehalle von Kaff Sowieso. Ist das eine Singlebörse, fragte ich Stefan. Der zuckte mit den Schultern und hatte so wenig Ahnung wie ich. Eine Art Autosalon? Statt mit ausgestellten Autos einfach das Ganze mit Singles – ausgestellten Singles – Speed Dating - Verkupplungsbörse? Ich blieb ratlos…

Zuhause liess mich dieser «Salon célibataire» nicht mehr los und ich musste wissen, was es damit auf sich hatte. Es ist eigentlich ganz einfach. Es ist ein Abend für Singles, teilweise von den Gemeinden organisiert. In Genf zum Beispiel wirbt die Webseite für: "Die abwechslungsreichsten, originellsten, stilvollsten und geselligsten Single-Partys & Ausflüge in der Westschweiz, die sich an zuvorkommende und positive Singles im Alter von 25-65 richten, die eine Alternative zu oft frustrierenden und enttäuschenden virtuellen Treffen suchen. Kommen Sie und bereichern Sie Ihr Leben mit schönen Begegnungen!“

Eine Super Idee finde ich. Warum ist in unseren Kreisen noch Niemand auf diese Idee gekommen? Klar, es gibt ja Klubs wie Aargay, bei denen Sie sicher Mitglied sind oder die HAB oder HAZ, LOS, TGNS, FELS, Pink Rail, PinkCop*, die Sportvereine und so weiter. Da ist man aktiv dabei, macht Ausflüge, Unternehmungen und kann auch Leute kennen lernen. Doch ein Abend mit Essen, Musik und Tanz? Verbinden wir das immer noch mit Disco, Aufriss, Dark Room? Das war in meinen jungen Jahren „In“ und Ausgang war damals Alles.

Trifft man sich heute wirklich nur noch virtuell auf den Dating Plattformen, den blauen Seiten? Früher war zum Beispiel der Kaffeeautomat ein Treffpunkt im Betrieb. Heute hat jede Abteilung seine eigene Kapselkaffeemaschine. Meine besten Freunde und Lebensabschnittspartner lernte ich nicht virtuell kennen. Im Kino meine erste grosse Liebe, Christoph im Zug, Stefan im Betrieb, Hans und Vreni, weil Hans mein Liftmonteur ist und sich in Asco verschossen hat als Hundeausbildner. Die Zeit im virtuellen Raum ist mir zu schade – nicht, dass es da nicht zu wunderbaren Begegnungen kommen kann und man Freunde findet. Der Zeitaufwand ist jedoch enorm. Man verbringt Nächte vor dem Computer. Abende und Nächte, die man anders nutzen kann. Und wenn man mit jemandem in näheren Kontakt tritt und sich mal schriftlich austauscht, kann es Monate dauern, bis man sich direkt sieht – wenn überhaupt. Enttäuschungen können da vorprogrammiert sein, müssen aber nicht. Es ist, was man daraus macht.

Doch wie wäre es mit einem Strandfest unter Freunden jetzt im Sommer? Einfach mal mit Kreti und Pleti ans Wasser. Oder wenn Sie, wie ich, eine Terrasse haben, organisieren Sie ein Terrassenfest, ein Gartenfest. Ohne Musik und Discogeballere, vielleicht mit grossem Feuer, Grilladen, Teigwarensalat, Wein oder sonstigem. Manchmal braucht es gar nicht viel. Ab und zu tut es sogar nur ein Schoggistängeli für zu zweit am See, auch wenn es bei diesen Temperaturen weich geworden ist und Asco liebend gerne etwas davon abbekommen hätte. Legen sie sich ans Wasser, gehen sie in die Berge oder in den kühlen Wald und seien sie aufmerksam, es könnte ja sein, dass sich jemand für sie interessiert.

Geniessen sie den Sommer mit allem was er zu bieten hat.

*   • Homosexuelle Arbeitsgruppe Bern (HAB)    www.habqueerbern.ch/
    • Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich (HAZ)    www.haz.ch/los.ch
    • Lesbenorganisation Schweiz (LOS)    www.los.ch
    • Transgender Network Switzerland (TGNS)    www.tgns.ch/de/
    • Freunde und Eltern der Schwulen und Lesben (FELS)    www.fels-eltern.ch/
    • Pink Rail    www.pinkcross.ch/de/unser-einsatz/leben/pinkrail
    • PinkCop (Verein homosexueller Polizistinnen und Polizisten)     www.pinkcop.ch/

Juni - Whirlpool

Der Sommer ist da und teilweise mal heiss, mal kühler. Meine Terrasse ist eingerichtet und neuerdings steht ein Whirlpool darauf. Nur so ein Kleiner, der zwar für vier Personen konzipiert ist, doch wenn Stefan und ich drinsitzen, ist er ausgefüllt. Ich frage mich, wie da vier Personen Platz finden sollen. Asco ist skeptisch dem Teil gegenüber, obwohl er eigentlich gerne Wasser hat und in jeden Bach rein springt. Ist wohl eine Frage der Zeit, bis er sich nicht zurückhalten kann und plötzlich rein hüpft. Ich allerdings mache mir gerade anderweitig etwas Sorgen. Ich bin eifersüchtig…

Ich weiss ja, dass Stefan beliebt ist und in seinem Club immer noch als die Nummer 1 gehandelt wird, obwohl diese Zeiten längsten vorbei sind. Doch wie er dort angehimmelt wird und er das geduldig über sich ergehen lässt, ist schon ein Wunder. Überall ist er nett und zuvorkommend und als Vorstandsmitglied natürlich auch darauf bedacht, dass der Club läuft und er sehr viel Zeit dafür investiert. Und als wenn das nicht schon genug wäre, scheint nun auch einer der Kerle es auf ihn abgesehen zu haben, was natürlich mir wiederum nicht passt.

Nun, Stefan wäre nicht Stefan, wenn er mich nicht ausgelacht hätte, zudem nahm er mich lieb in den Arm, lachte immer noch – sie wissen, dieses angenehme dunkle Lachen, das mich immer zum Schmelzen bringt – und beteuerte mir, dass er nur Augen für mich habe. Das soll ich nun also glauben. Jetzt wo der Sommer da ist, wo Mann kurz trägt, sich über die Wintermonate für die Badehosenfigur abgequält hat und dies nun zur Schau stellt. Da ist doch Verführung pur in der Luft.

Hallo? Wie wäre es mit etwas Vertrauen? mahnte ich mich selbst. Die Strafe kam sofort, ich verknackste mir beim Joggen mit Stefan den Fuss. Er liess mich auf einer Bank zurück, rannte nach Hause und holte den Wagen, da es doch eine weite Strecke zurück war. Nach knapp einer halben Stunde stand er völlig verschwitzt da und half mir in den Wagen. Als wir endlich zuhause waren, ich mit Mühe und Not geduscht hatte, setzte er sich neben mich und grinste mich an. «So, jetzt habe ich dich endlich mal abgeschleppt! Wurde auch Zeit!» Dabei lachte er sein Lachen – sie wissen... Und das mache er mit keinem Anderen – abschleppen - höchstens ein liegengebliebenes Fahrzeug.

Da wären wir also wieder, beim Vertrauen. Dem Gegenüber auch etwas zugestehen. Nicht immer alles in der Hand haben zu wollen, um es zu kontrollieren, sondern die Zügel loslassen. Stefan gehört nicht mir, ebenso wenig ich ihm gehöre. Bei Asco ist es klar etwas anders, da bin ich verantwortlich für meinen Hund. Stefan ist für sich selbst verantwortlich, wie ich für mich. Gemeinsam jedoch sind wir stark und können Höhen und Tiefen zusammen meistern.

Nach einem Arztbesuch, einem Stützverband und Salbe erholte sich mein Fuss allmählich. Stefan war jeden Tag bei mir, ging mit Asco spazieren und half wo es nur ging. So sassen wir auf der Terrasse im Whirlpool und ich dankte ihm, was er alles für mich tat. Auch entschuldigte ich mich, wegen meiner Eifersucht. Er schaute mich durchdringend an, dass es mir etwas Angst machte. Huu… neige ich nun zur «Drama-Queen»?  Er pfiff und Asco kam angerannt, setzte zum Sprung an, Stefan fing ihn auf und wir sassen zu dritt im Whirlpool. Ich staunte, mein Hund sprang Stefan in die Arme. «Wir haben auf unseren Spaziergängen geübt,» grinste er mich an. Asco schüttelte sich. Mein Hund vertraut Stefan. Also, lassen sie sich nicht von Kleinigkeiten, von viel Haut, von Versprechungen und Beteuerungen verführen. Vertrauen sie auf sich – vor allem auch Ihrem Gegenüber. Geniessen sie den Sommer in allen Facetten… und viel Glace zum Hitzkopf abkühlen.


Mai - Wonnemonat Mai

Jetzt ist er also da, der Wonnemonat Mai. Das Frühlingserwachen ist langsam vorbei und doch spürt man den Frühling. Entweder kämpft man noch mit der Frühjahrsmüdigkeit oder man hat Energie für zwei. Kein Wunder wird der Mai etwa auch als ‘gefährlicher’ Monat betitelt und das ist nicht auf die ausschlagenden Bäume gemünzt. Das Liebesleben kann da arg durcheinandergeraten.

Genau, es ist zum Teil auch Paarungszeit, die Tage werden wärmer, die Kleidung wieder lockerer und kürzer – sprich man sieht wieder mehr Haut - und die Leute sind wieder draussen anzutreffen. Die Nachbarn sind auf den Balkonen und pflanzen allerlei an, von üppigen Blumengärten bis zum einfachen Grünzeug. Doch merkt man bei alledem, es wird mit Liebe gemacht um sich einen schönen Aussenbereich zu schaffen. Ich habe wieder Tomaten auf meiner Terrasse und Pflanzen, die auch enorme Hitze aushalten, denn warm bis heiss wird es jeweils schon da oben. Stefan hat mir auch geholfen ein paar neue Sachen für die Pergola zu bepflanzen. Kletterpflanzen die blühen, das hatte ich noch nie. Auch Asco bekam ein neues Plätzchen unter der Pergola. In den Jahren seit ich meine Attikawohnung habe, ist es ihm auf der Terrasse im Sommer meistens zu heiss und er verzieht sich lieber nach drinnen.

Als wir an einem angenehm warmen Tag auf der Terrasse am Arbeiten waren, wurden wir von einem Gewitter überrascht. Es regnete urplötzlich in Bindfäden, ein richtiger Wolkenbruch. Wir schafften es nicht bis nach drinnen, schon waren wir durch und durch nass. Stefan lachte mich an – sie wissen, sein tiefes schönes Lachen – und zog mich in den Regen hinaus. Er packte mich an der Hüfte und begann einen Walzer mit mir zu tanzen. Im strömenden, doch nicht kalten Regen auf der Terrasse. Da bekommt ‘singin in the rain’ eine völlig neue Bedeutung.  Wir entledigten uns den überflüssigen Kleidern und tanzten wie Gott uns schuf auf meiner Terrasse – die gottlob nicht einsehbar ist. Doch auch wenn, wäre mir das in diesem Moment so was von egal gewesen. Zwei nackte, sich liebende Männer tanzend im Regen.  Asco verstand die Welt wohl nicht mehr. Ich schon – eben der Wonnemonat Mai! Doch die anschliessende gemeinsame warme Dusche war nicht zu verachten.

Ist doch schön, wenn man mit seinem Partner solch verrückte Dinge tun kann. Gut, es muss nicht nackt im Regen tanzen sein. Auch andere Dinge, die man sich sonst eigentlich nicht so getraut, oder Dinge, die man auch mit einem guten Freund anstellen kann… Ich bin zum Beispiel früher mit meiner besten Freundin zu nächtlicher Zeit in fremden Gärten Flieder klauen gegangen. Ein anderes Mal hatten wir sämtliche Blumenkisten in einem fremden Garten umgestellt. Aber nie etwas kaputt gemacht, dabei aber gelacht wie Kinder, die einen Streich anstellen. Jaja, die jungen unbeschwerten Tage sind vorbei…

Und wenn Sie gerade so vor Energie sprühen, vergessen wir den Frühlingsputz nicht. Angefangen von Fenster putzen über die Küchenschränke aussortieren und putzen bis zum Kleiderschrank, der auch mal wieder ein Schranklifting vertragen kann, sprich Kleider ausmisten. Dafür war ich aber noch zu faul, wenn ich denke, dass ich ab jetzt eh meistens nur in meinen bequemen Shorts zuhause rumlaufe. Doch lassen sie sich nicht aufhalten. Die selbstreinigende Wohnung wurde ja noch erfunden, ausser den Saug- und Fensterreinigungsrobotern.

Geniessen sie den Wonnemonat Mai, machen sie neue Bekanntschaften, wo auch immer und wie lange die auch dauern mögen. Ein Gespräch mit den unbekannten Sitznachbarn im Zug oder der freundlichen Kassiererin im Supermarkt oder an der Tankstelle. Wo es eben gerade passt und die Leute in Gesprächslaune sind. Versuchen sie es und sie werden erstaunt sein, was zurückkommt und sie mit einem Lächeln für den ganzen Tag zurücklässt. Es braucht ab und zu nur einen kleinen Ruck.
Doch Vorsicht vor den ausschlagenden Bäumen.

April - Die Masken sind gefallen

Endlich – nach zwei Jahren ist es soweit. Fasnacht ist vorbei und man zieht die Masken aus und nun auch schweizweit. Seit einiger Zeit schon beim Einkaufen, nun auch beim ÖV. Gut, die paar Male, die ich mit dem ÖV unterwegs war, war auszuhalten. Ich war schliesslich viel im Home-Office und Asco hat’s gefreut. Meiner Figur weniger. Wie beneide ich da Stefan, der hat sein Ding durchgezogen und mental viel stärker ist als ich, einer guten Schokolade kann ich nicht widerstehen und wenn ich an Ostern denke wird mir ganz anders – und x Kilo schwerer…

Ich weiss nicht wie sie es haben, doch seit einiger Zeit – einer gefühlten Ewigkeit - stehen da all die verschiedenen Schoggihasen wieder in den Läden, dazu auch kiloweise Schoko-Eili in den verschiedensten Mischungen, farbige Zuckereier, gefärbte Hühnereier, Osterfladen und sonstige Leckereien. Ist doch Verführung pur, oder? Ich habe mir dummerweis einen solchen Kilosack Schokoladen Eier gekauft und nun ist der schon leer – mein Hüftumfang dafür etwas voller. Nun gut, als Ausrede ist der Winterspeck auch noch da. Doch Schokolade habe ich sowas von gern, die lasse ich immer langsam im Mund schmelzen, so hat man länger was davon. Meine Dentalhygiene Frau hat mich aber darauf hingewiesen, dass dies für die Zähne nicht gut ist – bei ganz dunkler Schokolade ist es allerdings etwas weniger schlimm. Zum Glück ist dunkle Schokolade mein Favorit, de dunkler desto lieber – dann noch mit Orange drin oder letztlich mit Whisky …. Da kann ich schon gar nicht widerstehen, oje, oje…

Also habe ich meine Jogging Runden erweitert und gehe manchmal zweimal am Tag, was Asco freut. Sind wir so länger draussen, als bloss eine Gassi Runde machen und mit der Sommerzeit und länger hell am Abend hat das seinen Vorteil. Stefan ist mir da schon ein Vorbild und hat mir geholfen, auch wenn wir uns gerade nicht viel sehen. Sind wir in unterschiedlichen Abteilungen am Arbeiten und seit die «Virus-Normalität» wieder Einzug gehalten hat, ist er vermehrt im Ausland unterwegs, zieht aber sein Ding durch und sucht sich Hotels mit Fitnessraum aus. Dafür geniessen wir die gemeinsame Zeit und ich ihn beneide, wie er Schokolade essen kann ohne dass man ihm etwas ansieht – und er ist der schlimmere Schokoladenliebhaber als ich.

Und wenn ich so die schön gemachten Schoggihasen sehe, vor allem die von Hand gemachten und zum Teil sehr witzigen, da überlege ich mir schon, ob man so einen Hasen nicht auch selber machen könnte und ich den Stefan zu Ostern schenke. Oder gar keine Schokolade zu Osten? Geht ja gar nicht! Wäre ja wie Weihnachten ohne Christkind.

Geht hinter all dem Verkaufsrummel, die Bedeutung hinter Ostern nicht verloren – so wie eben die Bedeutung von Weihnachten. Der religiöse Hintergrund fehlt vielen von uns, wir sehen nur die vielen Angebote in den Läden und fragen uns gar nicht mehr, was Ostern eigentlich ist. Ach ja, am Fernsehen laufen meist die Monumentalschinken, wie Ben Hur oder so. Erst da kommt der Gedanke auf, dass wir Ostern haben und man entfernt noch irgendwie mal mitbekommen hat, was damals geschah. Jede Religion hat da seine eigenen Feiertage, seine Rituale, seine Geschichten…

Nein, über Religion will ich mich hier nicht auslassen, das muss jeder für sich selbst wissen und leben. Wünsche Ihnen trotz dem kurzen, aber heftigen Wintereinbruch am Wochenende wunderschöne bevorstehende Ostertage, ob mit oder ohne Schoggihasen. Geniessen sie ein paar freie und hoffentlich sorgenfreie Tage und wenn Schoggi, dann ganz laaaaangsam im Mund zergehen lassen – der geschmackliche Hochgenuss ist ihnen sicher.


März - Frühlingsgefühle oder der Duft von Freiheit

Langsam kommt der Frühlingsduft, die ersten Schneeglöggli und Krokusse blühen. Die Sonne zeigt sich von der besten Seite und ein wieder erlangtes Stück Freiheit macht sich landesweit breit. Die Masken sind gefallen. Das heisst, an diversen Fasnachten quer durch die Schweiz trägt man wieder Masken – freiwillig, und das ist gut so. Die Velofahrer haben die Strasse in Beschlag genommen, wie die ersten Töff- und Cabriofahrer. Auch die Gleitschirmflieger geniessen ihre Freiheit in der Luft, die waren da oben schon immer ein bitzeli freier als wir da unten. Doch sind wir wirklich so frei wie wir denken?

Werden wir nicht mittlerweile an allen Ecken durch Werbung beeinflusst – ob wir das wollen oder nicht. Die Sprache ist ein bestes Beispiel: «Your Snacks, your Rules» wirbt eine der grossen, bekannten Getränkemarke, was ja noch angehen mag, da sie international agiert. Die grösste Schweizer Gratiszeitung (so viel gibt es von denen nicht mehr) gibt es nun auch in englisch – «Britterland» oder was? Dafür macht eine amerikanische Automarke, die heisst wie ein ehemaliger Präsident, Werbung auf Deutsch – verkehrte Welt. Ganz klar, die Sprache verändert sich, soll sich auch verändern. Allerdings, wenn ich in Umfragen die Antworten lese, kann ich mir ein schmunzeln nicht verkneifen «es isch scho chli random!» oder ist das nun crinch? (Chrinch = Jugendwort des Jahres)

Ich frage mich, wann werden Ausdrücke vom schweizerdeutschen verboten, weil sie aus irgendeinem Grund rassistisch, beleidigend, oder was auch immer sein könnten, ohne den historischen Hintergrund zu beleuchten? «Totsch» zum Beispiel. Ganze Bücher müsste man umschreiben. Und darf ich Asco noch Asco nennen oder verklagt mich ein Grossverteiler, weil seine Marke für Hundenahrung denselben Namen hat? Ab und zu finde ich, leben wir in einer komplizierten Welt – oder machen wir es uns kompliziert?

Vielleicht geht es ihnen wie mir? Spüren sie den Frühling? Haben sie auch Schmetterlinge im Bauch? Seit ich Stefan kenne, ist das so, doch in diesen Wochen wird es wieder stärker. Frühlingserwachen? Frühlingsgefühle? Ich könnte ihn stundenlang im Arm halten, in seine braunen Rehaugen schauen, seinen Bart streicheln, seiner dunklen, angenehmen Stimme zuhören und in sein herzliches Lachen miteinstimmen. Seine Ruhe auf mich wirken zu lassen und doch Spass haben an seiner Verspieltheit. Ich vermisse ihn, wenn ich ihn mal nicht sehe, obwohl wir uns jetzt im Büro - ohne Homeoffice und Maskenpflicht - praktisch tagtäglich über den Weg laufen. Und ich begreife Asco, der immer merkt, wenn ich mit meinen Gefühlen hadere, auch wenn es diesmal im positiven Sinn ist. Er besitzt dieses Feingefühl und stupst mich mit der Nase an oder bringt seine Leine – ganz im Stil, komm lenkt dich ab und ich vermisse Stefan auch. Was würde ich ohne meinen Hund machen? Heisst ja nicht umsonst, der treue Begleiter des Menschen.

Sollten sie ähnliche Frühlingsgefühle haben, lassen sie diese Gefühle zu. Sie verhelfen zu Luftsprüngen in ungeahnte Höhen, setzen Energie frei, die sie positiv umwandeln können, so schwer es ab und zu auch sein mag. Sollten sie gar Liebeskummer haben und vielleicht gerade keinen Hund zur Seite – ein vertrauter Freund kann ebenfalls Wunder bewirken. Auch wenn er nicht weiss, dass sie Liebeskummer haben, merken wird er es bestimmt. Wozu hat man Freunde? Starten sie gut in den Frühling, geniessen sie die länger werdenden Tage und mit ihnen auch die zunehmende Wärme. Geniessen sie das Leben in vollen Zügen und machen sie einen Luftsprung. Es befreit!


Februar - Albträume

Asco stupste mich mit seiner feuchten Nase an und bellte. Er rannte aus dem Schlafzimmer, bellte, winselte, kam zurück und bellte mich an. Was ist mit meinem Hund los? Ein komischer Lichtschein, den ich nicht zuordnen konnte, erhellte das Wohnzimmer. Das Nachbargebäude brannte lichterloh. So schnell war ich noch nie in den Kleidern und stürzte auf die Terrasse. Feuerwehr war vor Ort, die Bahnlinie ins Seetal gesperrt, am Staufberg brannte es, aus dem Dorf züngelten ebenfalls Flammen. Bei Schloss Lenzburg stieg noch Rauch auf, dort musste das Feuer schon gelöscht sein. Leute standen auf der Strasse neben der Bahnlinie, zum Teil nur in Pyjamas und Morgenmäntel. Und gerade jetzt stürzte ein Teil des Nachbarhauses in sich zusammen.

Asco bellte und ich nahm es im ersten Moment nur weit weg wahr. Was ist hier los? Asco bellte wieder, diesmal hörte ich ihn fast neben mir. Er weiss, dass er nicht ins Schlafzimmer darf, obwohl ich die Türe immer offenlasse. Ich stand auf und wusste gar nicht wo ich war, noch was geschehen ist und warum mein Hund verrücktspielt. Ich schaute nach draussen. Das Nachbarhaus stand noch. Ich hatte einen Albtraum und Asco hat mich aus irgendeinem Grund geweckt. Es war eine brennende Kerze. Nur eine Rechaud-Kerze, dazu noch in einer kleinen Laterne eingepackt. Trotzdem! Ich hatte sie vergessen auszublasen, nachdem Stefan gegangen ist.

Albträume. Jeder kennt sie. Jeder hat sie. Befinden wir uns gerade gemeinsam in einem solchen Albtraum, der sich Pandemie nennt? Oder ist an Ihrem Arbeitsplatz die Hölle ausgebrochen? Die Redewendung: Lass mich aus diesem Albtraum erwachen, habe ich in anderen Situationen gehört – Scheidungen zum Beispiel, Arbeitsverhältnisse, finanziellen Schwierigkeiten. Doch wie steht es mit lustigen Albträumen? Können wir überhaupt lustig träumen? Doch dann ist es kein Albtraum mehr, oder?

Ein Albtraum anderer Art – finde ich – kommt auf uns zu. Die Herren der Schöpfung werden von der Werbung dazu animiert, sich zu rasieren. Nein, nicht Bart oder Achselhaare, sondern den Körper. Arrgh, was gibt es Schlimmeres als die glatt rasierten Bubis? Oder Männer, die sich mit 50 Jahren noch Boy nennen und ihren rasierten «Hühnerbrüstchen»? Männer, seid doch einfach Mann! Mit allem was dazu gehört. Wenn Einer den Bart oder Schnauzer weg schneidet ist das Eines. Doch müssen wir immer alles nach gemachten Schönheitsidealen, der Werbung, vorgegebenen Mode-Trends oder das Gefühl «ich bin nicht in» mitmachen?

Und das Jahr des Tigers hat nach dem chinesischen Horoskop begonnen. Tiger finde schöne, elegante, aber auch gefährliche Tiere. Könnte mir da Matts de Schoenmacker gefährlich werden? Ein Holländer – oder nun doch Niederländer? Er ist bei uns in der Firma neu für die Strategie Ausrichtung zuständig. Redet der nun alles schön, beschönigt er Geschäftsberichte oder macht er ganz einfach im Nebenjob noch Leute schön? Ein schöner Mann ist er und hat sich dem Foto nach die Brusthaare jedenfalls nicht rasiert. Ich hätte ihn eher in die Model- oder Schauspielerecke gestellt als in ein Büro. Stefan meinte nur lakonisch: «Ihr gleicht euch!» Au weia! Konkurrenz? Stefan lachte, sein dunkles mitreissendes Lachen und drückte mich an sich. «Keine Chance! Neben Dir kann bloss noch Asco mithalten.»

Sie merken, Albträume sind anders. Lassen wir die, wo sie sind! Träumen sie lustig. Träumen sie in den Tag. Fliegen sie wie Peter Pan in ihre Träume. Träumen sie wo immer sie mögen. Erfüllen sie einem lieben Menschen - oder sich selber - am 14. Februar einen kleinen Traum oder machen eine Freude, wenn es nur ein Schoggistängeli sein sollte. Denn - nicht vergessen - es ist Valentinstag. Machen sie Irgendjemandem eine Freude, es muss nicht zwingend Valentinstag sein. Geniessen sie den Februar, in den Skiferien, Badeferien, auf dem Mount Everest, auf Peter Pan’s Schiff, wo immer sie gerade sind. Träumen Sie! Und wenn sie die Nase in die Luft halten, könnten sie vielleicht schon den Frühling schnuppern.



Januar - Lasst die Schnapszahl-Spiele beginnen

Willkommen im neuen Jahr. 2022 wird als das Jahr gehandelt, in dem es sicher viele Hochzeiten geben wird und andere Anlässe, in denen Datumszahlen eine Rolle spielen. 2.2.22 oder 22.2.22 oder sogar 22.11.22 sind Daten, die nicht nur Zahlenfetischisten auserkoren haben, um spezielle Anlässe zu feiern. Stefan und ich haben unser Einjähriges an Sylvester gefeiert, allein. An Weihnachten und dazwischen gingen wir zu Besuch bei unseren Familien, bei Hans und Vreni und hatten an einem Tag Besuch von einem Freund von mir, der seine neue Flamme mitgebracht hatte. Der fliegende Holländer; oder wars nun der immer geile Niederländer?

Er sah gar nicht schlecht aus, grossgewachsen wie ich, etwas schlanker, hatte ein blondes Goatee und sein deutsch war eigentlich herrlich anzuhören. Doch plötzlich war seinen Redefluss kaum zu stoppen. Er wusste alles besser, immer war alles zu teuer hier - in Holland war es viel billiger. Er wiederholte sich dauernd und er war einfach der Grösste. Ob er ihn auch hat, bleibt dahingestellt, wahrscheinlich sogar auch das - in seiner Fantasie jedenfalls. Wie auch immer, wenn jemand über Frauen lästert, was die für Waschweiber seien, kann ich ihnen versichern – Männer stehen dem in nichts nach.

Stefan hatte sich derweil in die Küche zum ersten Abwasch zurückgezogen – allein! Nur Asco nahm er mit und ich wäre den beiden gerne gefolgt. Als der Holländer aufs Klo musste, fragte ich meinen Freund, wo er denn den aufgegabelt hat? Über die blauen Seiten, dann hätten sie sich auf Gran Canaria getroffen, was damals noch nett war, weil sie eine Clique waren und der Selbstdarstellungsdrang nicht zu sehen war. Aha, die blauen Seiten! Da heisst eh gefühlt jeder Zweite Tom, oder plötzlich wirst du grundlos gesperrt oder die Profile sind gelöscht, nachdem du ein Date abgemacht hast, vertraut er mir an. Er suche verzweifelt einen Freund, deshalb habe er auch zugesagt, als sich der Holländer bei ihm eingeladen hatte. Ich gönne ihm von Herzen eine Beziehung, doch je verzweifelter er suchte, desto schlimmer scheint es mit seinen Männerbekanntschaften zu werden. Die Zeit war leider zu kurz um vertiefter darauf einzugehen – so ein Klo-Gang dauert ja nicht ewig. Der Abend verging, Stefan und ich waren froh um die Ruhe, denn sogar Asco hat sich zeitweilig in die hinterste Ecke zurückgezogen.

Tags darauf rief mein Freund an, er habe den Holländer rausgeworfen. Seit dem Besuch bei uns schwärme er nur noch von Stefan. So hätte er einen guten Grund gehabt, ihn abzuservieren. Und um Stefan beneide er mich schon. Ich weiss, er ist nicht der Einzige. Meine Mutter hatte Stefan sofort ins Herz geschlossen und sogar mein Vater ist begeistert, was sonst eigentlich kaum der Fall war, wenn ich mal einen Mann nach Hause brachte. Von den blauen Seiten habe ich seit damals - Christoph lernte ich so kennen - die Finger gelassen. Es gibt sicher tolle Kerle dort - unbestritten, doch die Verarscherquote scheint zugenommen zu haben. Und in Zeiten wie diesen, wo die sozialen Kontakte wieder eingeschränkt sind, ist es eh schwierig, jemanden zu finden. Die Sehnsucht geliebt zu werden, kann da schon ins Unermessliche steigen.

Darum hoffen wir alle auf ein etwas anderes 2022. Mit etwas mehr Nähe und weniger Skepsis gegenüber Anderen und freuen uns über jeden Tag, ob nun die Sonne scheint, es schneit oder regnet. Es ist das, was wir daraus machen und nicht, was andere wollen. Versuchen Sie im neuen Jahr mal nichts zu tun, bewusst Musik zu hören, sich ins Gesicht regnen zu lassen und dabei in eine Pütze springen, wie es Kinder tun. Wagen Sie mehr zu träumen, Luftschlösser zu bauen und ihre Fantasie anzuregen. Der harte Alltag kommt früh genug. Die Schnapszahl ist doch ein herrlicher Grund dazu, mal Verrücktes zu tun – wenn’s auch nur in Gedanken sein sollte.
Geniessen sie das 2022.


Dezember - Verkupplungen oder alle Jahre wieder

Mal wieder eine Geschichte aus der Szenenwelt, die sich unlängst zugetragen hat. Ha, was jetzt? Glauben sie nicht, da wäre nichts los, auch wenn man Kontakte neuerdings wieder beschränken soll. Wie auch immer, da war doch dieser tolle, geile Kerl, der mich schon früher immer im Auge hatte, doch durch diverse Wirren – und weil ich damals auch noch mit meinem Ex-Freund zusammen war – hat er sich nie getraut, mich anzumachen. Und prompt am Weihnachtsmarkt läuft er mir über den Weg. Ausgerechnet jetzt…

Ich hatte ein Wochenende für mich und Freunde haben mich überredet an den Weihnachtsmarkt zu kommen. Stefan war an einem Meeting im Ausland und Asco war bei Hans und Vreni. Ich konnte mal tun und lassen, was ich wollte. Also haben mich meine Freunde mitgenommen, weil es Stefan nicht so mit Weihnachtsmärkten hat und nur mir zu liebe mitgekommen wäre. Passt ja perfekt. Und plötzlich stösst Bruno zu uns. Was für ein Zufall; denke ich noch. Bruno ist so der Typ: Klein, handlich, praktisch, gut – um jetzt nicht den Slogan: Quadratisch, praktisch, gut einer Schokoladenmarke zu gebrauchen. Er hat ein gewinnendes Lachen, natürlich einen schönen, perfekt gestutzten Bart, der zu seinem Gesicht passt, gut im Schuss (weil er jeden Tag trainiert und an Laufrennen mitmacht) und ein liebenswürdiger Kerl.

Meine Freunde verabschiedeten sich plötzlich sehr schnell, wir hätten uns sicher viel zu erzählen und es sei ja auch schon spät. Was soll bitte um viertel vor Zehn spät sein? Ich war mit Bruno alleine und es gab nicht wirklich viel zu erzählen. In solchen Momenten kommt die Frage: Zu mir oder zu dir? Doch das umging ich ganz klar, ich wollte nach Hause. Bruno meinte, ich könne schon bei ihm schlafen, dass ich nicht nach Hause fahren müsse. Meine Freunde hätten ihm das so gesagt, dass ich sicher bei ihm bleiben werde. Aha, daher wehte der Wind! Ich glaubte, mich in einem Ralf König Comic wieder zu finden. Ich lehnte dankend ab, dass Asco zuhause auf mich warte – wir haben weder von ihm, noch von Stefan gesprochen. Naja, da hab’ ich wohl ein Herz zerbrochen, und das vor Weihnachten. Doch Bruno verstand das und wir lachten Tränen, über den Verkupplungsversuch. Jetzt hatten wir uns einiges zu erzählen und es wurde doch noch spät. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich und versprachen in Kontakt zu bleiben – er wolle schliesslich Stefan kennen lernen.

Stefan musste lauthals lachen, als ich ihm die Geschichte erzählte. Sein tiefes, herzliches Lachen, das ich über alles mag. Er knuddelte mich und meinte, wenn ich das wolle, soll ich doch. Wir hätten ja eine offene Beziehung. Wollte ich so eigentlich nicht gerade – Zweisamkeit mit ihm tat ganz gut, also mit Asco natürlich Dreisamkeit.

Beste Freunde wollen, ohne Genaueres zu wissen, manchmal nur etwas Gutes tun. Und das ist auch gut so – dafür hat man Freunde. Besser als die glamourösen Weihnachtsbeilagen in den Zeitungen mit Titeln: Gönnen wir uns was! Eine zweieinhalb Wöchige Kreuzflugreise für zweiundsiebzigtausend (72'000) Franken oder zum Geburtstag von Chanel No5 gibt’s nun eine exklusive Schmuckkollektion von 55.5 Karat. Ein neues Kreuzfahrtschiff mit 36% mehr Platz pro Passagier… Wie dekadent ist denn unsere Welt geworden. Da kämpft man weltweit gegen ein Virus, gegen Hunger oder Katastrophen jedwelcher Art und wenn man Solches vorgesetzt bekommt, könnte man sich übergeben (ums mal vornehm auszudrücken) Viele wären froh, nur schon einen Drittel im Jahr zu verdienen, was diese Reise kostet. Doch eben, ist für eine andere Flughöhe bestimmt.

Ich habe nun Freude an diesem 2. Advent Guetzli zu backen und die zu verschenken. Schön eingepackt, mit einer selbstgemachten Karte – von Hand geschrieben. Soviel Zeit muss sein für meine Freude – auch Bruno wird in diesem Jahr einen Guetzlisack bekommen. Geniessen sie die Adventszeit, feiern sie Weihnachten mit ihren Liebsten, Freunden, Familie und kommen sie gut und vor allem gesund in das neue Jahr.

November - Umstellungen

Wir haben sie wieder hinter uns. Die Umstellung auf Winterzeit – also Normalzeit. Eine Umstellung die jeden von uns zweimal im Jahr trifft. Verschiedenes hört man darüber, mehr Gefluche als das man auch sieht, was Zeit eigentlich ist. Vorgegeben durch die Erdrotation, und da kann es nur uns Menschen in den Sinn kommen, daran herum zu fummeln, wie wir das mittlerweile überall machen. Nein, ich meine auch nicht das fummeln unter dem Tisch mit dem Sitznachbarn. Gut, da kann es dann auch zu Umstellungen kommen, vor allem wenn der einem Eine knallt…

Es könnte aber auch sein, dass er sofort bei Ihnen einzieht. Was sie, ihr Freund und ihre Mutter nicht unbedingt freut. Von der Schiegermutter wollen wir nun gar nicht erst reden, die sind landläufig eh schwierig – sagt man(n). Zu Umstellungen kann es auch nach einem Jobwechsel kommen. All die neuen Arbeitskolleg*innen, neuen Abläufen, neue Arbeitszeiten und man sich plötzlich auf dem alten Arbeitsweg befindet und zu spät an der neuen Stelle auftaucht.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und die eigene Komfortzone zu verlassen mögen wir gar nicht. Oder wenn, dann dauernd! Und doch mussten wir unsere Gewohnheiten umstellen. Seit diesem Virus ist eh alles anders, von «Bleiben sie zuhause» bis zum Zertifikat zeigen – was ja keine 20 Sekunden dauert (Zitat N. Rickli, Gesundheitsdirektorin). Auf persönlicher Ebene läuft da so ziemlich viel ab. Aber irgendwie lässt mich das kalt.    

Denn meine ganz persönliche Umstellung fand langsam statt. Seit Stefan mehr bei mir ist und er auch mal längere Zeit bei mir verbringt, hat sich Einiges verändert. Anfänglich waren wir bedacht, nicht immer gleichzeitig am Arbeitsort einzutreffen, mittlerweile ist es uns egal, weil die meisten – vor allem unsere Arbeitskolleginnen – eh gecheckt hat, was abgeht. Ihre schmächtigen Blicke gelten nun mehr mir als Stefan, dass ich diesen gutaussehenden, tollen Kerl abbekommen habe, den sie gerne für sich wollten. Wenn die wüssten! Wenn Stefan kocht, sieht die Küche nachher aus wie ein Schlachtfeld – das Essen dafür ist exquisit und der Tisch schön gedeckt mit Kerzenlicht. Er ist allerdings auch dafür besorgt, die Küche selber wieder in den Urzustand zu versetzen. Ich darf nachher dafür alles suchen, denn meine Logik von Ordnung deckt sich nicht mit Der von Stefan. Mittlerweile ist mir das egal. Meine Küche ist wie Ostern – finde das Osternest, oder eben das jetzt benötigte Material. Allerdings bei Asco’s Utensilien ist er pedantisch genau, weil er da nichts falsch machen will und Asco auch über alles liebt – ebenso verwöhnt, was ich beiden abgewöhnen muss.

Ist das dem Alter geschuldet, dass man Umstellungen immer schwerer nimmt – letztlich hinnimmt, wie wenn es schon immer so gewesen ist? Sei das die zweite Zahnbürste im Glas, das Deo, dass man gar nicht so toll findet – es dennoch plötzlich akzeptiert, Körnerbrot, das gesünder sein soll. Eiweissdrinks, bei denen es mir früher den Magen zusammenzog, trinke ich nun mit. Sogar vom Putzfimmel, der Stefan an den Tag legen kann, lasse ich mich anstecken. Asco ist da bloss verwundert, wenn nun jeden zweiten Tag sein Platz sauber gemacht wird.

Doch all diese Umstellung nehme ich gerne in Kauf. Schon nur, wenn man abends zusammen unter der Decke kuscheln und stundenlang zusammen durch die Herbstwälder streifen kann, sich auch ohne Worte versteht und dass jemand da ist, dem man vertraut, mit dem man Spass hat, über die Weihnachtsdeko in den Geschäften lacht, Neues entdecken und auch mal Nichts tun kann. Da ist so eine Zeitumstellung ein Klacks, oder? Willkommen in der Winterzeit. Machen sie es sich gemütlich und wenn sie keine Mühe mit Umstellungen haben, stellen sie ihre Wohnung doch mal wieder um.

Oktober – Jetzt wird’s farbig

Jetzt ist es soweit. Endlich können wir – also nicht wir. Ich meine nicht Sie und ich, doch wir können. Sie wissen wie das WIR gemeint ist. Ehe für alle ist vom Schweizerstimmvolk angenommen worden. War ja auch überfällig, oder? Doch mich beschäftigt ein ganz anderes Problem. Es ist so tiefgreifend, dass ich schon überlegt habe eine Hotline für solche Fälle anzurufen. Doch Hotlines sind nicht so meine Sache (für Deutsch drücken sie die Taste eins…) und ob es für mein Problem überhaupt so was gäbe, wage ich zu bezweifeln. Mein Hund ist eifersüchtig.

Seit Stefan und ich aus den Ferien zurück sind, verhält sich Asco merkwürdig. Wenn Stefan da ist, legt er sich demonstrativ mit einer Mischung aus Knurren, winseln und grunzen vor die Schlafzimmertüre – ins Schlafzimmer durfte er noch nie. Dafür hat er seinen Platz mitten in der Wohnung und kann so alles «überwachen». Dasselbe, wenn Stefan und ich auf dem Sofa sitzen, verzieht sich Asco genauso geräuschvoll auf seinen Platz. Beim Spazieren gehen, läuft er nicht neben mir oder zwischen uns. Nein, er läuft neben Stefan. Wenn ich ihm sein Lieblingswurfspielzeug im Park werfe, bringt er es nicht mir – sie erraten es – sondern Stefan, der abseits auf einer Bank sitzt. Wenn Stefan es mir zuwirft und ich Asco anzulocken versuche, legt er sich neben Stefan und schaut mich nicht mehr an. Beim Jogging am Morgen bin ich nun derjenige, der die doppelte Strecke läuft, weil mein Hund gelangweilt stehen bleibt und ich ihn holen muss. Sobald ich ihn an die Leine nehme, bockt er noch mehr.

Über Liebesentzug muss er sich nicht beklagen, da sind nun Zwei, die ihn umschwärmen. Oder vielleicht gerade deshalb? Ich bat Hans um Hilfe, bei dem Asco bei unserer Abwesenheit Ferien machen durfte. So haben wir am nächsten Abend alle vier bei mir gegessen und Asco verhielt sich fast normal. Zum Schluss gab es ein Experiment. Wir standen alle auf und zogen uns an. Asco freute sich natürlich auf einen Spaziergang und umschwärmte Hans, Vreni und Stefan. Ich ging als erster raus und Hans hielt Asco zurück, bis sie alleine waren. Ich hörte Hans, wie er bestimmt einen Befehl an Asco richtete und auch zu uns kam. Ohne Hund. Also marschierten wir vier um das Quartier. Ich wollte schon zurück, doch Hans hielt mich zurück – wir würden noch einen Drink im Restaurant nehmen. Mir kam es komisch vor ohne meinen Hund und wohl war mir der Gedanke nicht, Asco alleine zu lassen, wo er sonst eigentlich immer bei uns dabei war. Auf der anderen Seite wusste ich auch, dass ich ihn allein lassen konnte, wenn ich mal ins Kino oder Theater ging.

Als ich später nach Hause kam - Stefan ging zu sich nach Hause - erwartete mich Asco an der Türe. Ohne viel Aufsehens kraulte ich ihn kurz und lobte ihn. Ich hatte zu viel getrunken, liess mich aufs Sofa fallen und legte den Kopf aufs Kissen. Asco legte sich vors Sofa und legte seinen Kopf schief vor meinen Kopf. Ehe ich mich versah, hatte ich seine Zunge im Gesicht. Er wollte nicht mehr aufhören mit seiner Liebesbekundung und gab erst Ruhe, als ich mich zu ihm auf den Boden legte.

Was Hans mit Asco gemacht hat, weiss ich bis heute nicht. Doch seit da ist wieder alles bestens, obwohl wir nun zeitweise zu dritt am Boden liegen. Also überlegen sie sich gut, mit wem sie sich hinlegen. Es könnte ungeahnte Folgen haben.

Geniessen die den beginnenden Herbst, mit seinen Stürmen, Wetterkapriolen und den wunderschönen Farben.


September - Fertig Ferien

Dolce far niente – Sun, fun and nothing to do! Doch nun wird wieder in die Hände gespuckt… Tja, das war’s an Ferien für den Sommer, der sich doch noch von der sonnigen Seite zeigt. Wieder mal Ferien in einem anderen Land, obwohl die Schweiz viel zu bieten hat. Doch die Leute, die Mentalität, die Bauwerke, das Leben an und für sich ist eben anders als hier. Man hat Zeit und die Zeit habe ich mir genommen und Neues entdeckt…

Stefan und ich haben den Versuch unternommen, gemeinsam Ferien zu machen. Asco durfte bei Hans und Vreni bleiben, obwohl ich ihn gerne mitgenommen hätte, doch diesmal war eben Einiges anders. Ich habe versucht mich auf Neues einzulassen, was gar nicht so einfach ist. Doch Stefan und ich waren da in derselben Situation. Schon nur, sich auf uns einzulassen, zwei Männer, die anfangs «nur» zusammengearbeitet haben, sich dann eine Freundschaft und letztlich eine Liebschaft entwickelt hat. Das erste Mal zusammen Ferien – nicht Gran Canaria, nicht Sitges, keine Gay Destination, sondern Abenteuer Land mit Flug und Mietwagen in Frankreich.

Frankreich: Da kommt einem Essen in den Sinn. Essen wie Gott in Frankreich. Ist das so? O ja, das ist so, wenn man nicht ins erstbeste Restaurant hereinstürzt, sondern sich Zeit lässt um zu schauen, wie viele Leute beispielsweise schon drinsitzen oder sich halt auch mal überraschen lassen. Auffällig war, dass niemand Aufhebens wegen dem Covid Zertifikat machte. Man stellte sich an den Eingang, zückte sein Handy, das Zertifikat wurde vom freundlichen Personal gescannt und das wars auch schon. Kein Mühsames Ausfüllen eines Zettels oder einer App, die hier in der Schweiz erst noch unterschiedlich sind, weil man sich in der hiesigen Gastronomie nicht auf eine App einigen konnte. Und hierzulande regt man sich über die Zertifikatsplicht auf – das Handy hält ja eh jede/jeder Zweite, auf der Strasse schon in der Hand. Da haben unsere Nachbarländer uns Schweizern sehr viel voraus. Und gegessen haben wir übrigens überall sehr gut. Sogar in einem Food Corner – da haben sie uns erst vergessen. Der Serviceassistentin war es gar nicht recht, dass wir solange warten mussten und hat uns als Entschädigung ein Dessert nach Wahl offeriert. Und überall ass das Auge mit und ich will unbedingt diverses ausprobieren.

Auch sonst liefen die Uhren anders – vielleicht hatte das auch mit meiner Ferienstimmung zu tun. Ich hatte das Gefühl, man nimmt sich Zeit. Sei dies auf dem Markt, an der Reception, in den Läden, sogar in den grössten Touristen-Hot-Spots. Und unser Motto lautet auch nicht: In fünf Tagen durch Frankreich. Ich habe es genossen – lange Wanderungen, romantische Abende, baden im Meer und einen tollen Mann an meiner Seite. Ich habe mich verliebt, obwohl ich es eigentlich gar nicht wollte. Asco ist und bleibt meine grosse Liebe. Doch mittlerweile freut er sich über ein «Doppelherrchen». Es geschah einfach so – und wenn man es genau bedenkt, war es nach Sylvester eigentlich klar. Signale die man zum Teil kaum mehr wahr nimmt, sind plötzlich wieder da.

Nicht, dass ich Stefan gleich ehelichen will, denn die Diskussionen um die Ehe für alle gehen munter weiter. Lustig finde ich die SVP. Ein Streitgespräch zwischen einem schwulen Pro SVP-Politiker, der mit seinem Partner zusammenwohnt, und einem Contra SVP-Kollegen, der ledig ist. Der gute Mann soll doch erst mal in den Hafen der Ehe einlaufen, da wüsste er aus eigener Erfahrung, was Ehe überhaupt ist… Aber lassen wir dem Kerl seine Meinung. Sie stimmen sicher das Richtige!

Der Alltag ist wieder da und sie merken, diesmal schwelge ich noch in den Ferien. Ich wünsche ihnen ebenfalls viele schöne Ferienerinnerungen – ob in Bildform oder Gedanken.

August - Kaffee Togo

Eigentlich ein Coffee to go, doch ein Kollege bemerkte Scherzes halber Kaffee Togo und das hat nichts mit dem westafrikanischen Land zu tun. Schauen sie sich mal um, wieviel Leute morgens mit einem Becher herumstehen und auf ihr Smartphone glotzen, auf den Zug hasten, schnell wach werden müssen oder aus purer Gewohnheit so einen Becher bei sich haben, weil es morgens wieder mal knapp geworden ist. Doch genialer ist, was in den Zügen so abgeht.

Ich bin wieder vermehrt mit dem Zug unterwegs zur Arbeit. Auf einer Linie gibt es neu Passenger TV. Da werden sie über Bildschirme mitten im Wagen kurz und knapp mit dem Neusten an News versorgt. News wie: Bordeaux, der in der ISS gereift sein soll, wird versteigert, der Preis ca. 1 Million Dollar. «Wein kommt unter den Hammer» steht in der Schlagzeile. Wenn sie mich fragen, für etwas, das unter den Hammer kommt - und nachher sicherlich kaputt ist, weil Hammer – ist das ein teurer Spass und Alkoholmissbrauch dazu. Klar mache ich mich lustig darüber und weiss wie das gemeint ist, doch die Macher solcher Schlagzeilen erfinden sehr kuriose «Hingucker»

Oder um das Hirn wohl anzuregen mit Spielen wie, finden sie das Lösungswort: Rutan. Ist ja nicht schwierig, es ist Natur. Etwas, das man nicht mehr anschaut, weil entweder jeder auf diese Bildschirme glotzt, seinen Laptop bearbeitet, sich mit dem Handy beschäftigt, sein Kaffee to go verschüttet oder im 20-Minuten liest. Aus dem Fenster schauen war gestern – warum werden eigentlich Züge noch mit Fenstern gebaut und warum hat man nicht schon längstens alles in den Untergrund verbannt? Gut, auch U-Bahnen haben Fenster, wahrscheinlich, dass man sich überzeugen kann, auch wirklich an der richtigen Station eingefahren zu sein.

Doch es gibt auch die anderen Momente. Im Abteil neben mir sass letzthin eine junge Frau. Sie war wohl zu Besuch, ihrem grossen, roten Koffer nach zu urteilen. Eine Tasche neben ihr zeigte eine Orange und eine Erbsenspur, die mich sehr an das alte Pacman-Game erinnerte. Sie filmte mit ihrem Handy unentwegt aus dem Zugsfenster – Landschaften, die die Mitreisenden gar nicht mehr wahrnehmen. Sie war sehr neugierig und sog alles auf. Eigentlich gut, denn wir sehen die Schönheit der vorüberziehenden Natur gar nicht mehr. Der schönste Sonnenaufgang zieht an uns vorüber, die feinen Nebelschleier, Veränderungen an der Strecke, die wir glauben zu kennen, nur weil wir sie tagtäglich fahren. Und doch ist jeder Tag anders. Diese Frau kannte die Strecke nicht, kannte wohl die Schweiz auch nicht und solche Momente sind schön zu beobachten. Und mein Asco bewies sich wieder mal als «Türöffner» denn sie reagierte auf ihn, weil er neugierig zu ihr schaute und plötzlich mit dem Schwanz zu wedeln begann. Sie komme aus einem kleinen Ort in Spanien und besuche ihren Bruder. Wir waren die Einzigen im Wagen, die miteinander redeten. Eine Wohltat neue Ansichten kennen zu lernen. Sie fragte mich nach den Bechern, die so viele Reisende bei sich haben. Das sei Coffee to go. Ob man hier im Zug auch sowas bekomme, fragte sie mich. Ich verneinte, doch im Zug gab es einen Speisewagen. So hatten wir zusammen einen Coffee «at place». Anstatt «to go» ist Stillstand in gewissen Situationen etwas ganz Schönes.

Juli - in Zeichen des ...

… Regenbogens? Nicht ganz. Durfte doch München sein Fussballstadion an der EM nicht in den Regenbogenfarben beleuchten. Andernorts dürfen die Fans ins Stadion, bis dies auseinander zu bersten droht. Kein Wunder gibt es warnende bis anklagende Stimmen, die UEFA sei für tausende Menschenleben verantwortlich. Nun, ich habe mir meine ganz eigene Farbkreation geschaffen. Ich brauchte einen neuen WC-Sitz und bin auf einen gestossen, der eingebaute LED-Lichter hat und den man in allen Farben beleuchten kann. Wenn ich also nun auf dem WC sitze, werden meine Kronjuwelen mal in sattem rot, verführerischem blau oder schmeichelndem gelb angeleuchtet.  Einen Haken hat die Geschichte aber.

Wenn ich nun so dasitze und es schön in die Schüssel plätschert, bin ich auch schon erschrocken, wie mein Urin aussah. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass die gelbliche Flüssigkeit, mal giftgrün ausschaut, mal in leuchtendem Orange daherkommt. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen und nun ist das Teil wieder weg. Doch zurück zu den Farben des Fussballs. Ich konnte mich nie so richtig für diese Sportart begeistern – vielleicht früher, als die Hosen der Spieler noch viel kürzer waren und Mann viel Bein zeigte. Das Schlabberzeug heute nimmt jeden Sexappeal und das Gebaren mancher Spieler finde ich schlichtweg daneben – geschweige denn vom Salär, dass die bekommen. Doch immerhin haben wir Schweizer die Franzosen rausgeschmissen. Im Viertelfinal gegen Spanien sollte es dann nicht sein. Brot und Spiele in der heutigen Zeit. Gut, die Gladiatoren damals waren nicht zu beneiden und wurden dank Filmen hochstilisiert. Wenn gewisse Serien auch schön anzusehen sind mit den Mannsbildern, die man für die Rollen ausgesucht hat. Doch wo begegnet einem so ein Kerl? Gross, breit, kein Gramm Fett, gutaussehend trotz Schrammen und Blut. Gibt‘s ja nur im Film.

Habe ich gedacht! Ich wollte nach der Corona-Krise mit zu viel gutem Essen wieder was für mich machen. Auch wenn ich meine Joggingrunden gedreht habe und natürlich mit Asco draussen war, wollte ich mal in eine «Muckibude». Besser gesagt, Stefan hat mich mitgenommen zu seinem Training, dass er zwar nicht mehr täglich macht, doch immer noch zweimal die Woche. Mir war mulmig zumute. Schon nur neben Stefan sehe ich klein aus und wenn da noch mehr solcher Kerle sind…? Ich wurde eines Besseren belehrt. Keine komischen Blicke, keine Fragen, sondern herzliches Willkommen und mit allen gerade per du. Auch war ich nicht der Einzige mit zu viel auf den Rippen und das scheint auch niemand zu stören. Zickige Egos – wie in der «Schwesternwelt» - und die können wirklich extrem zickig sein, wie wir alle wissen – konnte ich keine ausmachen. Etwa mal ein eitler oder selbstverliebter Kerl, doch das war’s auch schon. Auch nicht alle gross, aber das Verhältnis stimmt. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus und musste mich zusammen reissen.

Ich musste gegen meine Vorurteile ankämpfen, mir einen Ruck geben und wurde eines Besseren belehrt. Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Stefan ist das beste Beispiel dafür. Gross, breit, ein Bild von einem Mann, der das Klischee des Gladiators voll erfüllt und doch so liebevoll und zärtlich wie auch zerbrechlich ist. Urteilen sie nie vorschnell über andere, machen sie sich direkt ein Bild und lassen sie sich auf Ungewöhnliches ein. Der Regenbogen unserer Community steht auch für Toleranz und das fängt bei jedem einzelnen von uns an. Geniessen sie den Gewittersommer, seien sie tolerant und staunen sie über den Regenbogen an den ungewöhnlichsten Orten - auch im Fussballstadion.

Juni - Summertime

Der Sommer ist angebrochen oder sollte so langsam anbrechen. In der Stadt sieht man durch das warme Wetter vermehrt wieder nackte Arme, nackte Beine, stramme Schenkel und der dazugehörende Mann könnte eine Augenweide sein. Genau! Könnte…! Wir haben meistens kühl, immer wieder Regen und die sonnigen Momente kann man (noch) an einer Hand abzählen. Genauso die strammen Schenkel, T-Shirts oder sonst sommerlich Bekleidendes. Meine halbe Wintergarderobe hängt noch immer beim Eingang. Doch wer sagt, wann das Wetter schlecht ist? Ist doch wie mit einer Kondom Allergie - Keiner will sie…

Die Bauern haben natürlich ein Recht zu klagen, weil alles nicht so wächst wie es sollte. Der Spargel – ja ich meine den richtigen Spargel, nicht den Spargel, der das Gummi des Kondoms nicht verträgt – ist nur dünn und die Bauern können nur ein Drittel der sonst üblichen Menge ernten. Und ich liebe Spargel – alle beide. Nein, nicht DEN Spargel den sie jetzt schon wieder meinen, sondern den Grünen und den Weissen und das in verschiedenen Variationen.

Doch haben sie gewusst, dass es dem Wald gefällt, wenn es regnet. Der Borkenkäfer kann sich weniger ausbreiten, weil die Bäume mehr Abwehrkräfte haben. Wenn ich mit Asco im Wald unterwegs bin, erfreue ich mich am satten Grün und ob es nun nass ist oder nicht, spielt nun wirklich keine Rolle. Dafür gibt es passende Kleidung. Meer habe ich in diesem Jahr abgesagt, auch wenn es immer wieder Kerle gibt, die unbedingt nach Mallorca, auf die Kanaren, nach Mykonons oder in eine andere Gay-Hochburg jetten müssen. Es braucht doch so wenig um zufrieden zu sein.

Mit Asco auf den Spaziergängen erwachte die Natur nach dem Winter in den Frühling, die feinen Knospen guckten zaghaft hervor, die Blüten gingen auf, das helle grün des zarten Blattwerks wurde abgelöst durch kräftigere Farben, die erwachenden farbigen grossen Blüten und das leise rascheln des Windes in den Blättern, trotz fallendem Regen. Ab und zu sahen wir auch den schönsten Regenbogen. Einfach mal stehen bleiben, innehalten und etwas genauer ansehen, können heute viele Menschen nicht mehr. Gemäss einer Studie, bringen es von 95% von 2000 Testpersonen heute nicht mehr fertig, nur fünf Minuten aus dem Fenster zu schauen und nichts anderes zu tun.

Und apropos Regenbogen: Unsere Community hat sich den Regebogen ausgesucht – wahrscheinlich wegen den wunderschönen Farben. Doch zu einem Regenbogen gehört nun mal, wie der Name schon sagt, eben auch Regen. Regen hat wie auch Nebel seine schönen Seiten, man muss sie nur sehen und schätzen – sonst dürften sie morgens auch nicht unter die Dusche stehen. Ist nichts anderes als künstlich erzeugter Regen und wie heisst es andern Orts: nach dem Regen scheint die Sonne. So kann nach so viel Regen einem wunderschönen, sonnigen Sommer nichts im Weg. Lassen sie uns das Wetter geniessen, ob es nun Katzen hagelt, die Sonne eine Gluthitze erzeugt oder sich ein heftiges Gewitter entlädt. Wetter ist Wetter und das können wir glücklicherweise noch nicht selber machen. Einen wunderschönen Sommeranfang und einen farbigen Pride-Monat Euch allen.

Mai - Lasst es poppen

In unserer angeblich sexualisierten Welt haben Singles heute über 60 % weniger Sex, Zärtlichkeit und Liebesbeziehungen als vor der Jahrtausendwende. Kein Wunder - wenn sich fast 50 % der Menschheit lieber mit ihren von den sensationsaufbauschenden Medien fleissig proklamierten Ängsten beschäftigen, als mit sich selbst und mit der Gestaltung ihres Lebens - inklusive einer bewusst gelebten und erkundeten individuellen Sexualität. Da kommt Hopi Popi genau richtig.

Jetzt sagen sie bloss, sie kennen Hopi Popi nicht? Hallo – wir haben Frühling! Die Natur spriesst, die Tiere sind paarungswillig, jeder hetero Kerl dreht sich nach dem kürzesten Minirock oder Bauchfrei-Shirt um, wir gucken jede stramme Wade, jeden haarigen Arm und jeden Knackarsch genauer an. Die Hormone tanzen Tango – das Erwachen nach dem Winterschlaf. Fitnesscenter waren zu, Hallenbäder, auch die Saunen und Clubs blieben geschlossen, dass man kein Stück Frischfleisch mehr sehen konnte. Und jetzt beginnt so zaghaft alles wieder sich zu öffnen. Und jeden Kerl kribbelt es und genau hier kommt Hopi Popi ins Spiel.

Seien wir ehrlich, sind sie nicht auch schon gierig darauf? Hopi Popi zu machen ist relativ einfach, braucht aber etwas Geduld und jetzt ist der beste Zeitpunkt damit anzufangen, wenn es eben bis in die Fingerspitzen kribbelt. Zugegeben, das Schwierigste ist Hopi Popi zu bekommen. Doch wenn der Stängel dann endlich wächst und immer grösser wird, bis sie ihn in voller Grösse in die Hand nehmen, zufrieden anschauen und endlich die Früchte Ihrer Geduld in den Mund nehmen und geniessen können, dann hat sich alle Mühe gelohnt. Denn sie können es kaum erwarten, den Garten, die Terrasse oder den Balkon bereit zu machen. Hopi Popi ist eine kleinwüchsige Mais Art, die hervorragend im Garten, auf dem Balkon oder Terrasse angepflanzt werden kann und sich bestens für Popcorn eignet. Was gibt es Schöneres, als wenn es in der Pfanne so richtig poppt?

Oder wenn’s noch mehr in den Fingern kribbelt und der Grill schon nach draussen muss, dann ist ein Maiskolben vom Grill auch nicht zu verachten. Apropos Grill: Da hat doch eine bekannte Grillmarke einen Gas-Smart-Grill auf den Markt gebracht. Das Teil kann über eine App gesteuert werden, und sagt ihnen, wann sie das Fleisch auf den Grill legen können. Doch das ist nicht alles! Es wird ihnen mitgeteilt, wann sie das Fleisch drehen sollen – je nach Garstufe bleu, saignant, à point oder bien cuit. Wo bleibt denn da der Spass? Sagt mir die Grill-App dieses Herstellers, dass mein Cervelat nun perfekt à point ist, wenn ich sie gern durch, also bien cuit, habe? Oder was machen die Herrschaften, wenn der Akku des Smartphones während dem grillieren leer ist? In Panik nach einer Lademöglichkeit suchen und das Entrecote kommt dann trés bien cuit vom Grill? Schuhsohle also! Heute muss ja alles Haute Cuisine vom Grill kommen! Dafür habe ich meine Küche und muss nicht grillieren.

Kommt soweit, dass mein Grill meine Essgewohnheiten kennt, sich ein Algorithmus merkt, wann ich nach Hause komme und mein smarter Grill sich vorher einschaltet, damit er bei meinem Eintreffen schön heiss ist. Dass er nicht noch meine momentane Esslust kennt, grenzt an ein Wunder. Und wie weiss er, wenn ich spontan mit Stefan etwas trinken gehe, oder später mit Asco vom Training komme, weil ich bei Hans und Vreni versumpft bin? Bleibt er eingeschaltet und heizt die Umgebung? Ruft er selbständig die Feuerwehr, wenn er überhitzt und zu brennen anfängt? Und da bleibt sowieso die ewige Grillfrage: Gas oder Holzkohle? Am schönsten ist es doch ein Feuer in einer Feuerstelle zu machen, den Cervelat auf einen Stecken spiessen und ihn übers Feuer oder die Glut halten. Da werden Kindheitserinnerungen wach. Und vielleicht war da neben Brot, einem Apfel auch eine Tüte Popcorn mit dabei. Also, lassen wir es poppen.


April - Frühlingsputz und Sommerzeit

Der Frühling hat Einzug gehalten und mit ihr auch die Sommerzeit. In den ersten Tagen hatte ich immer das Gefühl eines Jetlags und auch Asco ist durcheinander, da wir nun eine Stunde früher raus gehen als sonst und ich ihn mehrfach am Morgen wecke – was sonst eigentlich immer umgekehrt war. Und unweigerlich kündigt sich auch der Frühlingsputz an, denn nicht nur meine Fenster haben es bitter nötig. Alleine macht sowas ja keinen Spass und ich habe vor kurzem ein Inserat gesehen, in dem sich ein Kerl anbietet zu putzen – als Nacktputzer. Wäre doch ein Versuch wert.

Als ich mich dann etwas mehr in dieses Inserat vertiefte, sah ich, dass der Nacktputzer gerne in Naturalien bezahlt werden will. Doch dieser Spargeltarzan ist weder mein Fall, noch habe ich Lust jemanden in Naturalien bezahlen – es sei denn, er nähme einen Fresskorb an, was da leider nicht der Fall war. Also verwarf ich die Idee sofort wieder und wusste, ich komme da alleine nicht drum herum. Was solls.

So kam mir die Frage: Kenne ich eigentlich meine Wohnung? Welche Geheimnisse sind da wohl zu finden? Die Ameisenstrasse auf der Terrasse, die ich wohl mit den neuen Pflanzen eingeschleppt habe? Also überlegte ich mir, wo ich mit meinem Frühlingsputz beginnen will. Ich hatte mir gerade Latexhandschuhe übergezogen, die Utensilien mit den Putzmitteln bereitgestellt, als es um kurz nach neun Uhr morgens läutete. Asco wedelte mit dem Schwanz und stand wohl schon länger vor der Türe. Als ich öffnete stand da Stefan – in knapper Sportbekleidung, Tasche und Putzeimer unter dem Arm. Ich bräuchte Hilfe beim Putzen und dies sei eh sein Workout-Outfit, so könne er beides in gewisser Weise verbinden. Ich war baff und liess ihn rein. Er stellte seine Tasche hin und kaum hatte ich die Türe zu, riss er sich sein Outfit vom Leib und stand splitternackt vor mir. «Nacktputzer zum Dienst» grinste er mich an. Hätte ich ihm bloss nichts davon erzählt, doch ich musste ebenfalls lachen, gab ihm trotzdem eine Putzschürze und ich kam beim Putzen ins Schwitzen wie noch nie. Pause gab es erst, als alle Fenster blitzblank waren, der Boden staubgesaugt und nass aufgenommen war, alles abgestaubt und aussortiert war, das Schlafzimmer in Bestzustand, das Gästezimmer ansehnlich und die Küche strahlte.

Nach einer Stärkung blieben noch die Nasszellen. Ich nahm mir das Badezimmer vor und Stefan die Dusche. Kurz darauf hörte ich die Brause laufen und ihn singen: «the Phantom of the Opera». Ich war über seine schöne Stimme erstaunt und schaute nach. Er begrüsste mich mit einem Wasserschwall, denn er stand unter der Dusche, beziehungsweise, zog mich mit alles was ich noch anhatte ebenfalls unter die Brause. Asco schaute uns mit geneigtem Kopf an, vermied es jedoch in die Dusche zu kommen und verzog sich.

Putzen kann ja so Spass machen und mit Überraschungen enden, an die niemand gedacht hatte. Dazu alles blitzblank - am Schluss erst noch die beiden Akteure. Wann haben Sie ihren Frühlingsputz vor? Allein? Laden sie jemanden ein, nicht unbedingt als Nacktputzer. Zusammen macht es mehr Spass, ist kurzweiliger und muss nicht unter der Dusche enden – ein gemeinsames Nachtessen tut’s auch. Also, hauen Sie auf den Putz.


März - Wie war das nochmal?

Vor so ziemlich einem Jahr wurde alles anders bei uns in der Schweiz. Der erste Lockdown, Masken oder nicht Masken, die ersten Verstorbenen und was Anfangs weit weg in China schien, ist auch bei uns eingetroffen. Doch in diesem Jahr Anfangs März wähne ich mich schon im Mai. Weg der Schnee, weg die Kälte. Seit 1. März sind nach dem zweiten Soft-Lockdown - oder wie man das immer nennen will - die Läden wieder offen und werden schon von einer Meute von Leuten erstürmt. Die Stadt scheint zu explodieren. Die Sonne zeigt sich von der besten Seite. Doch ihr wurde kaum Beachtung geschenkt. Um mich scheinen sich alle verbissen im Shoppingrausch zu befinden – ob sie nun etwas brauchen oder nicht. Die Stadt war nicht auszuhalten – ich hätte es wissen müssen.

Die Woche zuvor sah das noch ganz anders aus. Das Wetter lud auch nach draussen ein, denn vom Ende der Pandemie fehlt bis jetzt jede Spur. Wenn Asco und ich im Februar bei kühlen Temperaturen alleine unterwegs waren, bevölkern jetzt Heerscharen den Wald, das Flussbett, die Wanderwege und vor allem auch Strassen und Züge. Ausser durch die Woche, wenn ich vom Home-Office mit meinem Hund unsere Runde drehte. Doch seit dem ersten März ist wieder alles anders. Wir sind im Wald wieder alleine unterwegs, denn es halten sich gefühlt alle anderen in der Stadt auf. Dabei fehlt noch immer die Nähe zu Freunden, Familie. Ganz zaghaft sieht man etwa hier und da eine Umarmung, doch mehr ist nicht drin. Das kann man nicht mit Shopping oder ähnlichem kompensieren – finde ich jedenfalls.

Genauso wenig wie das Erhaschen von Aufmerksamkeit in den sozialen Medien. Auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. wird das ganze Leben ausgeschüttet - von der Todesanzeige des Grossvaters, über neue Verliebtheiten, was die Kids anstellen, wie man unter der Dusche singt und alle nur erdenklichen Tagesaktivitäten. Katzenvideos kannte man, nun auch Hunde, Hamster, Vögel, wie der Goldfisch seine Runden dreht und diesmal eine Luftblase mehr aufsteigen lässt als in Stunde zuvor. Wo man war, was man gekocht hat - Restaurants sind ja immer noch zu – der erste Beinbruch und zuvor das Anstehen am Skilift. Doch kein Wort dazu, dass man so dicht gedrängt wartet, dass ein Superspreaderevent sich fast harmlos anhört. Asco und ich mögen Schnee, doch dann schon lieber mit den Schneeschuhen auf markierten Wegen unterwegs. Da konnte ich sogar Stefan dafür begeistern und die Route im Jura hat ihm sehr gefallen.

Seit Silvester haben wir viel zusammen gemacht. Wir konnten beide dem Home-Office-Koller entfliehen, Asco war immer freudig aufgeregt, wenn Stefan kam und er hat meinen Hund ins Herz geschlossen. So sind wir mittlerweile nicht nur mehr blosse Bürokollegen. Es ist eine tolle Freundschaft entstanden, wie mit Vreni und Hans. Ich habe auch Bilder gemacht – sowohl mit Hans und Asco im Training, wie auch mit Stefan im Jura oder wo wir sonst waren. Doch keine Sekunde habe ich das Gefühl, ich müsse sie auf Facebook, Instagram und Co. teilen. Da kommt höchstens mal ein Bild als Poster an die Wand. Und jetzt freue ich mich wie alle anderen auf den Frühling. Überlege schon, wie ich meine Terrasse in diesem Jahr gestalte und freue mich an den kleinen Dingen im Leben, die langsam wieder ins Bewusstsein rücken. Sei dies ein blühender Krokus oder ein «Schneeglöggli». Freuen sie sich mit…

Februar - sehen sie’s locker

Ein Monat mit Schnee – viel Schnee. Und doch könnte man meinen, in der Schweiz sei Schnee eine Seltenheit. Jedes Mal dasselbe Chaos, sei es auf der Strasse oder im Zug. So durfte ich letzte Woche in die Zentrale nach Bern. Wieder mal in die Hauptstadt. Und Asco durfte mit, denn die Sicherheitsleute am Eingang - vor allem Peter - haben seine Freude an ihm und passen jedes Mal gerne auf ihn auf, da er ja nicht weiter mit ins Gebäude darf. Kaum in Bern angekommen – nach einer Stunde Schnee-Verspätung – sticht mir ein Plakat entgegen. Eine Frauenhand greift in den Schritt eines Mannes und darüber steht: Grab them by the Penis.

Ich glaubte mich zu versehen. Es ist ein Plakat für das Casinotheater Winterthur. Ein Stück geschrieben von einer Frau, inszeniert von einer Frau. Finde ich grundsätzlich gut, wenn Frauen vermehrt in Männerdomänen vorstossen. Doch ich wage mal zu behaupten, wenn da stehen würde: «Grab her Tits» - von einem Mann geschrieben und von einem Mann inszeniert – wären die Feministinnen auf die Barrikaden gegangen. Und um den Gedanken weiter zu spinnen, wäre das Stück wohl abgesagt worden. Doch was machen wir Männer? Wir lassen es über uns ergehen – wo bleibt eigentlich unser Kampfgeist? Sind wir wirklich so Weicheier geworden, dass uns die Frauen längst überholt haben.

Vieles liegt noch im Argen. Schon nur, dass wir in diesem Jahr 50 Jahre Frauenstimmrecht feiern. Erst 50 Jahre! In der ganzen Schweiz? Nein! Ein von unbeugsamen Appenzellern bevölkerte Halbkanton hört nicht auf, Widerstand zu leisten – um es mal in den Worten eines bekannten Comic Helden zu nennen, dessen Freund etwas dick ist (Wer ist hier dick???) und der Druide des Dorfes einen ganz besonderen Trank braut. Appenzell Innerrhoden hat erst vor 31 Jahren (1990) an der Landsgemeinde dem Frauenstimmrecht zugestimmt. Von Gleichstellung sind wir noch weit weg. Und doch sehen es viele zu verbissen. Eine gewisse Lockerheit an den Tag zu legen und einfach «Normal» damit umzugehen, wäre hilfreich. Weg vom Klischeedenken. Oder warum hat eine junge Mutter bei Zwillingen das Mädchen in Rosa, den Bub in Hellblau gekleidet? Da beginnt das Klischeedenken doch schon in der Wiege.

Wenn Audrey Landers (ich will sie jetzt hier nicht als B-wunder oder S-Bombe bezeichnen) in «A Chorus Line» den Titel «Tits and Ass» singt und tanzt, macht sie das mit einer gehörigen Portion Selbstironie und vor allem Selbstbewusstsein. Über Jahrzehnte hinweg haben sich hartnäckige Klischees festgesetzt. Drehen wir's mal um: Männer an den Herd und Frauen hinter die Werkbank. Und bei der Gelegenheit: Haben sie sich schon mal gefragt, warum es so viele Fernsehköche gibt, aber kaum Fernsehköchinnen? Und obwohl ich das Klischee vom Lastwagenfahrer mag, sollte es vielmehr Lastwagenfahrerinnen geben, oder Kindergärtner – Ingenieurinnen – Technikerinnen - Sekretäre … Warum arbeiten so wenige Frauen in Männerberufen und warum noch weniger Männer in Frauenberufen? Denn heute gibt es nahezu keine Jobs mehr, die nur für Frauen oder nur für Männer interessant sind.

Einfach unverkrampfter an die Sache gehen. «Grab them by the Penis».  Sicher sehenswert – leider wegen Corona abgesagt. Es ist ein Bühnenstück über festgefahrene Geschlechterrollen und einer Frau, die zielstrebig die Karriereleiter hochsteigt. Die nächste Beförderung ist in Griffnähe, doch dann droht die Situation zu eskalieren. Denn in der Schweiz kommt eine Bewegung in Gang: #mentoo.


Januar - Alles beim Alten?

Hallo 2021. Das neue Jahr hat begonnen. Die Hoffnungen und Erwartungen sind enorm und ob das neue Jahr diese erfüllen kann, wage ich mal zu bezweifeln. Asco und ich hatten jedenfalls ganz ruhige Weihnachten gehabt – am 26. Dezember waren wir bei Hans und Vreni eingeladen und den Rest gemütlich und zufrieden Zuhause. Silvester sah dann schon etwas anders aus, obwohl ich mich auf einen ruhigen und friedlichen Abend gefreut hatte, Champagner war kalt gestellt und Lachs hatte ich auch im Kühlschrank. Doch wie es so ist mit den Erwartungen – erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

Ich hatte meine Hände gerade im Hundenapf und mischte Asco sein Abendessen, als es an der Türe läutete. Gleichzeitig begann mein Handy zu klingeln. Mit dem Napf in der einen Hand, dem Handy zwischen Achsel und Ohr eingeklemmt und Asco neben mir, öffnete ich die Türe und meldete mich gleichzeitig am Handy. Stefan stand vor mir und sah erbärmlich aus. Am Handy meldete sich Christoph. Ich war sowas von verwirrt bis Asco mich anstiess. Logisch, der Hund hat Hunger. Also zog ich mit meiner freien Hand Stefan in die Wohnung, stellte Asco seinen Napf hin und Christoph liess ein hilfloses «Hallo wie geht’s?» in mein Ohr säuseln. Mit der Begründung, dass ich Besuch bekommen habe, beendete ich das Gespräch und Stefan wollte schon fast wieder gehen. Nichts da! Dieser grosse Mann sah aus wie ein Häufchen Elend. Und so war es auch – kurzum Home-Office- Koller, ich liess ihn nicht mehr nach Hause. Wir kochten zusammen, redeten bis kurz vor Mitternacht, stiessen zusammen an und drehten noch eine kurze Runde mit Asco. Doch auch da liess ich ihn in seinem Zustand nicht nach Hause – ich habe ja schliesslich ein Gästezimmer und ein Gespür, wenn etwas nicht stimmte.  (nein, wir hatten nicht zu viel getrunken, keine Sekunde an Sex gedacht, sondern meistens Geschäftskram gewälzt – nicht, dass sie da wieder was Falsches hineininterpretieren) Das war also mein Sylvester und Neujahrstag, obwohl es Stefan nicht recht war, dass ich Christoph so abgewürgt habe.

Das Jahr begann also schon mal gut. Am 6. Januar hatte Asco das Gefühl, er müsse einem Passanten ein Stück Dreikönigskuchen aus der Hand klauen. Der Mann erschrak dermassen und ich tadelte Asco. Danach ging ich natürlich mit dem Kerl einen neuen Dreikönigskuchen kaufen, was ihn freute und er unbedingt meine Adresse wollte, weil Asco ihm so gefiel. Aha? Sollte da Asco wieder als Kuppler gewirkt haben?  So begann mein Jahr, obwohl ich mich doch auf mittlerweile Zweisamkeit mit meinem Hund eingestellt hatte. Allerdings habe ich die Gesellschaft von Stefan genossen und Christoph wollte mir nur ein gutes Jahr wünschen, was sich an Sylvester nicht so angehört hatte und eigentlich auch zu früh war.

Naja, und wenn ich denke, was da so in der Welt gerade passiert, da frage ich mich schon, wie es aussehen würde, wenn unser Bundeshaus gestürmt würde. Klar gab es schon die einen oder anderen Ereignisse vor dem Haus, unter anderem 1996 eine Bauerndemo, die aus dem Ruder lief. Jedoch finde ich, wir haben in der Schweiz extrem stabile Verhältnisse – auch wenn ich mir zeitweise vom Bundesrat eine etwas klarere und auch härtere Gangart wünschte. Doch das ist wie gesagt meine Meinung. Asco ist es egal, Hauptsache er hat mich noch länger im Home-Office, was wir beide sehr geniessen.

So beginnt also ein neues Jahr. Mit Hoffnungen, Begegnungen, neuen Erkenntnissen und einem Januar der mal von Anfang an mit Schnee begleitet wurde. Machen wir das Beste daraus, übernehmen wir für uns und unsere Liebsten, Freunde, Nachbarn Verantwortung und kommen von unserem Egoismus weg, nur weil man endlich nach Kanada, Gran Canaria oder wo auch immer in die Ferien will. Dieser Virus wird uns noch etwas begleiten, denn der hatte inzwischen genügend Zeit sich zu mutieren. Auch wenn eine Impfung in Aussicht und die Impfaktion angelaufen ist, was wissen wir darüber? Darum übt Euch noch etwas in Geduld. Das neue Jahr wir ebenso gut wie das Letzte oder Vorletzte oder das Nächste. Denn wir sind selber verantwortlich, was wir daraus machen. In dem Sinne – ein schönes, neues, gesundes Jahr.



Dezember –
Alle Jahre wieder, doch zum Glück nicht alles

Black Friday, Black Week. Da wird einem alles um die Ohren gehauen, das sonst eh zu teuer ist, sich nicht verkaufen lässt oder brandneu und auf Promo ist, damit man später möglichst viel zum regulär überteuerten Preis verkaufen kann. Wer die Preise an Black Friday senken muss, ist das ganze Jahr über zu teuer – steht gross in der Werbung eines Discounters. Und warum macht man nicht ein Black Year aus 2020? Gut, ganz sooo schwarz war’s nun auch nicht, wenn ich bedenke, dass sich ein gewisser Donald Trump aus dem Weissen Haus verabschieden muss. Und seien wir ehrlich, hatten Sie trotz allem nicht auch ein paar Lichtblicke?

Ich jedenfalls hatte eine Erhellung. Das Training mit Asco tut gut und neue Freunde habe ich auch gefunden – trotz dieser schwierigen Zeit. Wenn wir zu einer maskierten Gesellschaft mutieren, ist nicht alles so bedrohlich, wie es den ersten Anschein macht. Die Vorweihnachtszeit löst bei mir in diesem Jahr wohlige Gefühle aus. Ich habe nicht das Gefühl, ich müsse so weit weg wie möglich, um dem Weihnachtsrummel zu entkommen. Nein, ich geniesse das flanieren durch die beleuchtete Stadt, lasse mich vom Stress der anderen nicht anstecken und kann auch mal ruhig mit Asco und einer Glace in der  Hand – ja richtig gelesen – in einer Ecke stehen und dem unermüdlichen Treiben zuschauen. Das Gewusel, wenn mehrere Tram- und Buslinien sich kreuzen, ist eigentlich unbeschreiblich. Vor allem wenn sich Passanten durch die Zwischenräume quetschen, Leute fast unter den Bus laufen, weil sie auf ihr Handy starren und dich ab und zu jemand anquatscht für eine Spende für dieses oder jenes. Fehlt bis jetzt nur noch die Heilsarmee, die wiederum für einen guten Zweck unterwegs sein wird und die Vorweihnachtszeit wäre perfekt. Wenn da eben nicht an allen Ecken dieser schwarze Tag oder Woche wäre. Die Stadt ist übervoll. Wie war das nun schon wieder? Treffen sie so wenige Leute wie möglich.

Nach Black Friday kam der Cyber Monday und bald haben wir Winterschlussverkauf. Mit dem Winteranfang kam der erste Schnee, was sich im Verkehr bemerkbar machte. Viele die noch mit Sommerpneus unterwegs waren oder die Anderen, die sich in die Züge quetschten, weil sie auf Winterstrassen Angst zum Fahren haben. Und ob all dem Coronatheater geht am 1. Dezember der Welt AIDS Tag unter. Da war man nicht so schnell, bzw. ist die Pharmaindustrie noch nicht soweit mit einem Impfstoff. Der Anreiz fehlt, Milliarden zu verdienen. Die «Ehe für Alle» wurde vom Ständerat knapp angenommen und geht nun wieder zum Nationalrat. Wie lange dauert dieses Hin und Her, bis endlich die Ersten vor den Traualtar treten. Der Pfarrer in unserer Gemeinde freut sich jedenfalls auf das erste homosexuelle Paar zum Trauen, handelt es sich doch um einen ehemaligen Konfirmanden.

Im Büro sind ebenfalls Müdigkeitserscheinungen zu spüren. Zum Teil arbeiten wir Home-Office wie viele andere auch. Doch mit der Weihnachtszeit verschlimmert sich die Sache zunehmend. Susi ist schon mal wegen einem positiven Coronatest ausgefallen und Stefan, dieser Baum von Mann, ist auch nahe am Umfallen. Ich bin froh habe ich Asco. Der Bundesrat will keinen Lockdown und will eine dritte Welle verhindern und der Wintersport kann nur mit grossem Schutzkonzept und Bewilligungen durchgeführt werden kann, im Gegensatz zu benachbarten Ländern, die ganz dichtmachen. Die Kantone müssen entscheiden, also haben wir auch da den Kantönligeist wieder. Ich beschliesse ruhige Weihnachten anzugehen. Diverses vor zu arbeiten und wenn alle Anderen im neuen Jahr wieder am Arbeiten sind, mir ein paar freie Tage zu nehmen.

In diesem Sinne wünsche ich ihnen eine geruhsame Adventszeit, geniessen sie Weihnachten – wie auch immer – rutschen sie gut ins neue Jahr und bleiben sie gesund.

November - Wellenreiten

Es kommt ja immer alles in Wellenbewegungen, ausser Weihnachten, denn seit Oktober strahlen die Weihnachtsdekos in den Geschäften um die Wette. Weihnachtsgüetzli gibt es seit September und die Marroni Preise sind wieder gestiegen, fast wie die Krankenkassenprämien. Und zu allem kam auch sie - die zweite Welle. Eigentlich nicht unverhofft. Mich hat es jedoch eiskalt erwischt, weil ich nicht aufgepasst hatte.

Es war schönstes Herbstwetter. Hans und ich waren am See. Asco tänzelte um uns herum und die Leine verhedderte sich um meine Beine. Plötzlich sprang Asco in diese zweite Welle und ich wurde mitgerissen. Hans gab mir noch einen kleinen Stoss und ich lag neben Asco im Wasser. Normalerweise bringt mich unter 15 Grad Wassertemperatur Keiner ins Wasser. Asco hatte seine helle Freude, tanzte wild um mich und packte mich an der Jacke, wie wenn er mich aus dem Wasser ziehen will.

Ich stand auf und watete tropfnass und zitternd auf den Weg. Hans lachte, ich fand es weniger lustig. Er nahm Asco richtig an die Leine und legte seine trockene Jacke um mich. Als wir bei Hans zuhause ankamen, hat Vreni, seine Frau, mir trockene Sachen von Hans bereitgelegt. Was denn auch passiert sei, wollte sie wissen. Wir erzählten, was vorgefallen war. Ein weniger erfolgreiches Training, merkte sie an und lachte. Aber realitätsnah, bemerkte Hans. Er ist neben seinem Beruf als Liftmonteur auch als Trainer und Ausbildner für Rettungshunde tätig und hatte an Asco den Narren gefressen – und Asco an ihm. Anders gesagt: Liebe auf den ersten Blick bei den beiden. So war Hans im August nach Feierabend etwa bei mir um Asco zu testen, ob er sich eignen würde. Oder was haben sie gedacht, was Hans nach Feierabend bei mir machte? Auch wenn ein schlauer Fuchs zu glauben meinte, dass wir ein Verhältnis hätten und in jeder freien Minute zusammen im Bett wären. Immer diese falschen Gedanken – nein aber auch!

Seit Ende August ging ich einmal in der Woche zu Hans ins Training. Ich freue mich, wie Asco, etwas Neues zu lernen – was mir zeitweilig den Kopf rauchen lässt. Dabei lernte ich seine bezaubernde Frau kennen, die natürlich sofort ein Gspüri hatte, dass ich Männerbeziehungen pflege – also nicht nur die, zwischen Asco und mir. Inzwischen können wir über alles reden und wir haben eine neue Freundschaft aufgebaut, was in diesen schwierigen Zeiten nicht selbstverständlich ist.

Obwohl ich mit dem Training von Asco, meinen täglichen Joggingrunden beschäftigt bin und im Geschäft wenigsten Stefan, Sandra und Susi sehe, fehlt mir etwas. Nähe! Alles passiert auf Distanz. Jemanden in den Arm nehmen – Fehlanzeige.  Viele tun sich schwer mit der Maskenpflicht, viele jammern und wir sind zu einer maskierten Gesellschaft geworden. Die ganze Welt steht doch irgendwie Kopf. Der Kanton Aargau hat es verpasst auch mal eine Frau in den Regierungsrat zu wählen und noch nie hat man sich über einen amerikanischen Präsidenten so lächerlich gemacht, wie über den jetzt Abgewählten. Verdient hat er es ja irgendwie. In all dem Durcheinander fehlt mir Christoph. Ob ich ihn mal anrufen soll? Vielleicht getraut er sich nicht, nach unserem letzten Gespräch. Ich warte mal zu, denn so wie die ganze Schweiz auf die zweite Corona-Welle reagiert, ist vielleicht nicht gerade der richtige Zeitpunkt.

Lassen sie den Kopf nicht hängen, denn auch an trüben Novembertagen löst sich der Nebel mal auf. Gönnen sie sich Wellness zuhause, lesen sie ein Buch, freuen sie sich an Kleinigkeiten, lassen sie den kommenden Winter zu. Schalten sie einen Gang zurück, was unserer ganzen Gesellschaft guttun würde und geniessen sie die an sich ruhiger werdende Zeit.


Oktober - Endlich

Sie lesen hier nun schon ein Jahr lang meine Kolumne. Doch noch nie wurde ich gefragt, was denn Asco für eine Hunderasse sei. War er doch einfach der Hund von Erik. Es erreichten mich bis dato auch nur zwei Mails von Ihnen. Eines ganz am Anfang und ein ziemlich Hässiges Anfangs September. Damit muss ich als Schreiberling leben. Doch warum schauen oder lesen wir Krimis in denen der Kommissar nach 90 Minuten oder gegen Schluss des Buches den Täter überführt – die Realität ist ganz anders oder wie erklären sie sich die vielen ungelösten Fälle?  

Genau – es ist das Entfliehen des Alltags, eintauchen in eine Welt, von der wir meinen, sie zu kennen. Doch tun wir das wirklich? Warum boomen People-Magazine, die Schönen und Reichen interessieren doch immer? Arztserien laufen tagaus, tagein auf sämtlichen Kanälen und immer - fast immer - gibt es ein Happy End. Egal wie schwer die Operation war und operiert wird immer. Alltag ist anders. Meine momentane Knöchelverletzung musste ich nicht operieren, wobei ich in der Serie garantiert auf dem OP-Tisch gelandet wäre, während der Operation einen Herzstillstand hätte und dabei noch eine Herzkranzverengung festgestellt würde – die natürlich einen weiteren operativen Eingriff zur Folge hätte. Doch das alles ist kein Problem, auf die lang geplante Weltreise kann ich trotzdem. So laufen Serien, sie werden gemacht um die Zuschauer zu fesseln. Die Dramaturgie wird zum Voraus über mehrere Folgen geplant.

Auch mein Erik ist ein Kunstprodukt, das heisst, nicht ganz. Es gibt ihn wirklich, setzt sich aber aus drei real existierenden Personen zusammen. Auch seine Vorfälle sind aus dem echten Leben gegriffen – natürlich nur die spektakulären. Oder möchten sie wissen, wie viele Abende Erik alleine mit Asco verbringt? Warum er sich trotz einer Beziehung mit Christoph einsam fühlte? Oder wenn Erik sich nicht aktiv meldet, fast keiner seiner Kollegen etwas dergleichen tut, weil Alle immer so beschäftigt und Wochen zum Voraus verplant sind. Das sind die kleinen Geschichten zwischen den Zeilen.

Unser Leben ist nie so aufregend wie ein Buch, ein Film, eine Serie, ein Game oder Theaterstück. Nicht umsonst heisst es grauer Alltag und ich begreife Derjenige, der sich über die amourösen Begebenheiten um Erik aufregen kann. Doch haben sie das Buch der Schweizerin Karin Roth gelesen, die ihre Dates mit Männern schildert? Nein? Schon nur der Titel ist eigentlich Männer verachtend: «Single, weil die Auswahl Scheisse ist! Tagebuch einer Dating-Queen» So zynisch es klingen mag und es sich dabei um Hetero Männer handelt, ist es in der schwulen Welt nicht anders. Sie entlarvt Mann für Mann, dass man(n) sich schon schämen muss. Doch sie bringt es fertig, das ganze humorvoll und auch selbst reflektierend zu beschreiben. Und es sind keine erfundenen Geschichten! Genau wie bei Erik – der übrigens nicht gleich mit jedem ins Bett hüpft, auch wenn das der Anschein erwecken mag. Er mag auch lieber gemütliche Abende mit Freunden, romantische Sonnenuntergänge, die viel zu selten sind, seinen Beruf in der Verwaltung und seine Arbeitskollegen, die zum Teil auch Freunde geworden sind.

Nicht zu vergessen Asco, Erik`s treuer Vierbeiner - der übrigens auch im realen Leben existiert hat und Nero hiess, weil er schwarz war. Und hat, weil er infolge Krebs eingeschläfert werden musste, als ich meine Geschichten schrieb. Sie haben nicht wirklich geglaubt, ich erfinde das alles? Und ich glaube, Erik sollte ihnen die Geschichte mit seinem Asco beim nächsten Mal selber erzählen. Warum Asco gerne Marroni hat und was die Herbstwanderung an Aufregung brachte.

In diesem Sinne einen schönen Oktoberanfang, viel Marroni, wunderschön gefärbte Herbstwälder und malerische Sonnenuntergänge.


September - Was steht an, oder auf?

Der August ist ins Land gezogen und mit ihm eine neue Schwärmerei. Richtig gelesen - mein Liftmonteur hatte mir den August versüsst, da sich Christoph gerade Mal an einem Tag gemeldet hatte. Der August zählt immerhin 31 Tage. So wurden Asco und ich ausführlich in urchiges Brauchtum der Schweiz eingeführt. Und mein Lift hatte mehrmals in diesem Monat eine Störung, die immer kurz noch vor Feierabend behoben wurde und Hans natürlich länger blieb. Doch einen Haken hat die ganze Sache.
 
Hans, der Gute, ist verheiratet und muss sich seine Zeit mit mir immer irgendwo zuhause abzwacken. Mittlerweile kann mein Lift gar nicht so viele Störungen haben, wie Hans hier war und das der Lift nur Nebensache war, ist doch logisch, oder? Christoph habe ich anfangs September mein Aus mitgeteilt. Dafür, dass er sich nur einmal im Monat meldet, brauche ich ihn nicht, auch wenn wir zusammen gute Erlebnisse hatten. Über Umwege habe ich mitgekriegt, dass auch er eine neue Liebschaft hat. Ausgleichende Gerechtigkeit und die Schwesternwelt ist ja sooo klein. Und plötzlich scheint einem die Welt offen zu stehen oder noch etwas offener. In einer Beziehung hat man ja schon Bedenken, ob man dies oder das nun tun sollte.
 
Diese Bedenken hatte Hans nicht, oder ich merkte nichts davon, obwohl er mich schon von Anfang an in Kenntnis setzte, dass er verheiratet sei. Wenigstens ist er ehrlich der Kerl, was ich bei unserer Community weniger wahrnehme. Und heute mitten in Lenzburg hat mich ein wildfremder Mann mit schwarz-grauem Bart aus einem Geldtransporter gegrüsst und gewunken. Ich überlegte fieberhaft, ob wir uns kennen, doch kam nicht drauf. Blaue Seiten? Hat er mich verwechselt? Ein Event, an den ich mich nicht erinnern kann? Ein Mann in Uniform in einem gepanzerten Wagen – uff. Als ich mir ein Herz fasste, war der Wagen vor der Bank verschwunden. So geht das plötzlich, wenn man offen ist. Doch zum Ziel kommt man(n) nicht immer.
 
Und da frage ich mich, als plötzlich wieder Single – mal abgesehen von Asco – wie ich das mit den neuen Abstimmungen unter einen Hut bringen soll? Gilt es so viel aufzuräumen in unserem Land? Vaterschaftsurlaub – da wird unsere Wirtschaft schon nicht daran zu Grunde gehen. Kinderabzug - darf ich für Asco dann auch was von den Steuern abziehen oder mich auch stark machen, dass es neben der Hundesteuer auch eine Katzen- und Kindersteuer eingeführt wird? Kampfjet - dass ich immer gerne mit Fliegern spielte, obwohl die nur aus Plastik waren und ich heute lieber einen Piloten zum Spielen hätte. Jagdgesetz - da habe ich lieber Bär und Wolf in den Wäldern, als einen ungesunden Wald. Begrenzung – ach lassen wir das mit der Partei mit dem Sünneli, denn dieses Sünneli scheint eh nicht für alle. Entscheidungen über Entscheidungen, die jeder für sich ausmachen sollte.
 
Eine Entscheidung habe ich mir jedenfalls gefasst. Das Singleleben geniessen! Hans hat sich sogar einen kurzen Bart wachsen lassen wegen mir, auch wenn es seiner Frau nicht gefällt, mir umso mehr. Doch mir ist klar, diese Beziehung hat ja auch keinen Bestand und doch geniesse ich es, wie es ist. Er hat das grössere Problem mit seinem Zeitmanagement als ich und Asco mag ihn. Aber denken sie jetzt nicht, dass da ein «Sünneli» hängen geblieben ist.


August – 1291, wie war das nun schon wieder?

Sie erinnern sich, da stand ein Berg von Mann vor meiner Türe. Ein wildfremder Kerl, ohne dass Asco irgendwelche Anstalten machte, misstrauizu sein und liess sich streicheln und knuddeln. Dass er den Mann vor lauter Freude nicht angesprungen hat, grenzt an ein Wunder. Es war der Liftmonteur, der sich für den nächsten Tag ankündigte, um die Revision des Liftes zu machen, der direkt in meine Wohnung führt. Ob es ok sei, wenn er gegen acht Uhr komme oder ob es zu früh sei. Kommen sie wann sie wollen, ich bin zuhause, hörte ich mich sagen. War ich von Sinnen? Er streckte mir den Ellbogen entgegen, knuddelte Asco und verabschiedete sich. Mein Hund hat sich sofort mit ihm angefreundet und ich war einigermassen verwirrt, wegen Asco und dem Mann. Was für ein urchiger Typ.

Passt ja alles irgendwie. Christoph der sich seit Wochen nicht blicken lässt, Stefan sehe ich wegen Homeoffice auch nur via Skype und zu guter Letzt steht der erste August mit all seinen Traditionen und urchigen Bräuchen vor der Türe. Viele Feiern wurden abgesagt oder auf ein Minimum reduziert. Aarau feiert nicht bei der Friedenslinde und die Rede wird per Videobotschaft aufgeschaltet. In Lenzburg gibt es wenigstens ein Höhenfeuer und in Baden offeriert der Stadtrat der Bevölkerung eine Wurst (Vegi oder Fleisch – wie zeitgemäss) sowie einen Lampion zum Mitnehmen für zuhause. Auf’s Rütli dürfen nur 200 Leute, dafür wird die Feier live im Fernsehen übertragen. Die Schweizerhymne mitsingen - oder besser summen - da ja kaum jemand den Text kennt, kann man auch zuhause.

Wer denkt da an die Schweizer Entstehungsgeschichte? An all die damaligen Fakten, Geschichten, Mythen und Sagen? „Durch diese hohle Gasse muss er kommen“, kennt man etwa noch von Schillers Wilhelm Tell. Doch was kennt man sonst? Dass der Bundesbrief von Anfang August 1291 als ältestes Verfassungsdokument der Schweiz gilt? Ein Pergamentpapier mit 17 Zeilen in lateinischer Sprache und zwei damit verbundenen Siegel, weil das Dritte von Schwyz verloren ging. Doch nicht 1291 und nicht beim Rütlischwur wurde die Schweiz wirklich gegründet. Der Bundesbrief wird erst seit dem 19. Jahrhundert offiziell für die Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft gehalten und ist im Bundebriefmuseum in Schwyz zu sehen. Waren Sie schon mal dort?

Und was mache ich nun am 1. August? Mit Asco auf der Terrasse einen Cervelat oder eine Bratwurst grillieren? Lampions und Feuerschale habe ich, im kühlen Wasser im Plastikpool chillen kann ich auch. Soll ich Stefan einladen? Da wäre der Pool zu klein. Oder den Liftmonteur fragen was er vorhat? Habe ich mich jetzt ernsthaft gefragt, ob ich den Liftmonteur einladen soll? Diesen urchigen Kerl, der etwas jünger ist als ich, etwas grösser, aber doppelt so breit was Schultern, Brust und Oberarme angeht. Ich stelle ihn mir gerade in einem Edelweisshemd mit hochgekrempeltem Ärmel vor.

Am nächsten Morgen gegen halb neun klopfte es. Vom Lift her! Asco sprang sofort auf und tänzelte freudig vor der Lifttür, die langsam auf ging. Da stand der Monteur in seinen kurzen blauen Workerjeans und weinrotem Shirt mit dem Firmenlogo auf der rechten Brustseite. «Guten Morgen, entschuldigen Sie die Verspätung. Ich habe ihnen dafür 1.Augustweggen mitgebracht.» Er stellte den Sack mit den Backwaren hin und knuddelte Asco. «Ich habe Kaffee – wenn sie Zeit dafür haben und ich bin Erik.» Und obwohl er kein Bart hat, lachten mir freundliche Augen aus einem sympathischen Gesicht entgegen «Hans.» «Geniesser…» sagte ich zu Asco, doch Antwort kam von Hans. «Immer, wenn ich dazu komme.» Er lachte mich an. «Komm Erik, Gruppenknuddeln!»

Und nun freute ich mich auf den ersten August, auch wenn weder Stefan, noch Hans kam. Asco und ich hatten beschlossen einem urchigen Jödlerchörli die Ehre zu erweisen. Soviel Schweiz musste sein! War ja schliesslich eine Geburtstagsfeier.


Juli - Sommerflaute

Es ist wieder soweit! Der Sommer hat Einzug gehalten. In der Stadt sind die Shirts, Röcke und Hosen kürzer geworden und man sieht sich länger mal einen Kerl genauer an. Überall werden Strassen aufgerissen, Staus sind da vorprogrammiert, durch Lenzburg zu kommen ist mittlerweile eine Katastrophe. Doch neben einem knackigen Bauarbeiter mit nacktem Oberkörper fällt einem das Warten leicht, bei Mehreren sowieso, wenn sie mal nicht die vorschriftsgemässen Westen an haben. In der Badi ist eh der Teufel los, an Flüssen und Seen wird teilweise textilfrei gebadet und die Cruisingwäldchen sind abends wieder mehr frequentiert.

Sommer hat etwas von frei sein, etwas Unbeschwertes, sich so geben wie man will. Und doch ist in diesen Sommer alles etwas anders. Die Virus-Krise ist noch nicht überwunden, die Ansteckungen nehmen zu und gewisse Massnahmen werden wieder eingeführt. Die „Ehe für alle“ wurde vom Nationalrat abgesegnet und wird im Ständerat im Herbst sicher durchkommen, wenn auch knapper, weil der Ständerat eher konservativer ist. Kurt Aeschbacher hat sich mit der katholischen Kirche angelegt, was in diesem Fall gut ist und das Fernsehen macht sich auf das Sommerloch bereit, Aufgewärmtes a-gogo.

Bei mir fühle ich sowas wie ein Sommerloch oder vielmehr ein Kuscheldefizit oder wie man dem auch immer sagen will. Klar braucht mich Asco und ich bin froh ihn zu haben, denn ihn kann ich kraulen und wenn wir beide herumtollen, stürzt er sich schon mal auf mich und brachte es auch schon fertig, mich auf den Boden zu werfen. Doch lieber hätte ich das mit Christoph. Der anfängliche leidenschaftliche Sex und die teils lustigen Ideen dabei fehlen mir schon. Wir haben ein zwar offenes Verhältnis, doch hatten immer viel zusammen unternommen, Sex gehörte logisch dazu und Asco mochte ihn vom ersten Augenblick an. In den letzten Monaten er hat sich extrem rar gemacht und ich frage mich ernsthaft, ob unsere Beziehung die Krise ausgehalten hat. Ich im Home-Office hatte ja nun viel besser Zeit, auch abends etwas mit ihm abzumachen und er blockte praktisch jedes Mal ab. Anfänglich habe ich das wirklich auf zu viel Arbeit und Stress bei ihm abgeschoben, doch jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Vielleicht sollte ich mein Profil auf den blauen Seiten wieder aktivieren oder auch mal wieder einer der Crusingplätze aufsuchen, obwohl ich das gar nicht so mag. Schon nur, wenn ich am Fluss mit Asco spazieren gehe und mich da ein nackter Kerl anlächelt, stellt Asco die Haare auf und wenn er kurz vor dem knurren ist, weiss ich, lass die Finger von dem Typ. Asco lässt da so schnell Keinen an mich heran. Ob ich ihn einfach mal zuhause lassen soll? Doch spätestens, wenn ich den Kerl abschleppe, würde Asco zuhause sein Urteil fällen. Und eigentlich mag ich gar keinen Kerl abschleppen. Ich habe ja Christoph, auch wenn der im Moment komisch drauf ist. Ist vielleicht auch in ein Sommerloch gefallen.

Dabei wäre es so einfach. Eine Decke, etwas Feines zu trinken und zu knabbern, Aussicht auf Frischfleisch oder sonstige schöne Anblicke. Das wäre doch nicht schlecht. Von Lagerfeuerromantik will ich gar nicht erst sprechen. Und doch habe ich eine Feuerschale gekauft und mir einen Plastikpool auf meine Terrasse gestellt. Asco liebt es und ich kraule ihn neben dem Feuer und schlürfe meinen Drink alleine. Das Leben kann so herrlich einfach sein und doch spüre ich eine Veränderung ist im Anzug. Es klingelt und ich wundere mich, wer das sein könnte. Asco ist ganz aufgeregt und nicht wie sonst. Ich weiss, es steht jemand vor der Türe, den er mag. Und ich traue meinen Augen nicht: Da steht ein Berg von Mann.




Juni - Latte am Morgen

Latte am Morgen, bei Christoph war es normal am Morgen eine Latte zu bekommen. Zuhause in letzter Zeit nicht mehr. Da kommt man schon ins Grübeln. Vielleicht zu viel Stress am Morgen, weil Asco raus musste und ich ab und zu nicht aus dem Bett zu kriegen war. Oder einfach keine Lust? Viele Männer bekommen morgens keine Latte und das aus verschiedenen Gründen.

Doch seit kurzem erfreue ich mich wieder morgens eine Latte zu bekommen. Selbstgemacht: Caffè Latte, aufgeschäumt, in einem Latte Macchiato oder einfach pur. Denn ich habe mir endlich eine neue Kaffeemaschine gekauft, da meine alte Kolbenmaschine den Geist aufgegeben hat. Ich hatte ja genug Zeit in dieser Zuhause-bleiben-Ära, dass ich mir im Internet genügend Kaffeemaschinen anschauen und vergleichen konnte. Nein, nicht so eine Maschine, für die ein netter Herr für einen weltweiten Grosskonzern - Was sonst? - Werbung macht und mit den Kapseln für einen immer grösseren Alu-Berg sorgt. Auch nicht von der Schweizer Firma, die in der Nähe einer geilen Schwulensauna zu finden ist, und für die ein Tennisprofi sein Racket schwingt.

Nein, ganz simpel: eine Maschine mit der Mann - und Frau übrigens auch - einen tollen Kaffee machen kann. Mit frischen Bohnen - also frisch gemahlen, nicht gekapselt - mit Milchwärm- und Aufschäumfunktion, direkte Tastenfunktionen für verschiedene Kaffees wie eben eine Caffè-Latte. Sie ist Home-Office tauglich, einfach zu reinigen und kommt - wie könnte es anders sein - aus Italien.

Und wenn wir schon beim Thema Latte sind, verbinden doch viele Männer die Morgenlatte beim Aufstehen mit einem sexuellen Traum, auch wenn sie nicht mehr wissen, was sie geträumt haben. Doch Nein, sie stellt einen rein körperlichen Prozess dar und hängt nicht unbedingt mit sexueller Erregung und Lust auf Sex zusammen. Auch hat sie morgens nichts mit dem Druck in der Blase zu tun, auch wenn eine volle Blase auf die Prostata drückt. Üblicherweise haben Männer jede Nacht etwa drei bis fünf Erektionen. Diese kommen meist in der Zeit zwischen 4 und 7 Uhr zustande. Ausgelöst wird die Erektion in der REM-Phase, einer bestimmten Phase des natürlichen Schlafzyklus. Während dieser Phase steigen Puls und Blutdruck an. Auch ist die Durchblutung des Körpers sehr intensiv, denn das Blut transportiert Abbauprodukte und Schadstoffe aus dem Gewebe. So ein Reinigungseffekt ist übrigens in jedem Lebensalter nötig. So bekommen auch männliche Säuglinge und Greise morgens Erektionen, obwohl diese Männer sexuell nicht aktiv sind. Das zeigt: Sexuelle Fantasien sind nicht der Grund für die Morgenlatte. Soviel konnte ich aus dem Internet lernen – Homeoffice macht’s schon wieder möglich.

Doch je nach Latte habe ich einfach Lust oder Lust dazu. Ob jetzt rein wissenschaftlich betrachtet oder rein mechanisch die Latte in der Hand. Latte hin oder her oder her oder hin. Ein Genussmoment soll es sein. So gibt es in meinem Freundeskreis immer noch genug Kerle, denen ist die Morgenlatte peinlich und versuchen sie zu verbergen, sei das vor der Partnerin, Frau, Partner, Mann. Ich stehe dazu. Ist ein Teil von mir und zeigt mir, dass mit meinem Körper - laut Wissenschaft - alles stimmt. Und sollte das mal nicht mehr der Fall sein, dann ab zum Arzt. Von den zusätzlichen Bleib-zuhause-Kilos mal abgesehen.

Oder wie sehen sie das? Berichten sie mir von Ihrer Latte, der Morgenlatte, dem Caffè Latte oder auch von ihrem Lattenrost oder Lattenzaun, den sie frisch gestrichen haben in dieser zuhause-bleiben-Zeit. Oder haben sie gar einen feurigen Italiener, der ihnen zu ihrer Latte verhilft?
  schreiber@aargay.ch


Mai - Veränderungen

Nackt wie Gott mich schuf, setze ich mich auf und überlege, ob ich unter die Dusche soll oder meinen Kopf wieder ins weiche Kissen drücke. Ich schaue zurück und da liegt er in freudiger Erwartung. Mit seinen braunen Augen schaut er mich fragend an. Mir tut alles weh. War die letzte Nacht so wild? Es ist halb sechs Uhr morgens und irgendwie doch noch zu früh für Kaffee und Frühstück, also lege ich mich wieder hin und beginne ihn sanft zu streicheln.

Er liegt brav da und wedelt mit dem Schwanz. Ich bin gestern Abend auf dem Sofa vor dem Fernseher eingeschlafen und Asco hat es genossen, neben mir am Boden zu schlafen. Denn nach meinen Prinzipien, hat er im Schlafzimmer nichts zu suchen. Er hat seinen Platz beim Eingang und kann so den Rest der Wohnung ganz gut überblicken. Ein Aufmerksamkeitsdefizit hat er in diesen Tagen sowieso nicht. Ich bin öfters mit Asco unterwegs, als wenn ich normal arbeite. Home-Office macht‘s möglich. So gehe ich mittlerweile zweimal täglich joggen, dreimal normal raus und Asco ist immer dabei. Ich koche auch mehr, da diverse Anbieter ihr ganzes Kochrezeptarsenal gratis zur Verfügung stellen – da ist viel ausprobieren angesagt und das mit den einfachsten Zutaten, die man meist zuhause hat. Asco und ich sind am Rüebli essen wie die Weltmeister. Zum Dippen, geraffelt, gekocht, roh am Stück – ich meine, Hasen mampfen ja auch Rüebli. Also bleibt Schoggi vor, was zu Tonnen von zu viel Schoggi Hasen und Praline-Eiern führt und bei mir für weniger Kilos sorgt. Und durch das schöne Wetter sehe ich wie frisch von den Ferien aus. Was so eine Krise alles ausmachen kann.

Daneben wird man regelrecht medial bombardiert. In der Zeitung gibt es «Zugreif-Knaller». Also da knallt‘s, wenn man dieses Angebot in den Einkaufskorb legen will oder hab’ ich da was falsch verstanden? Das Radio macht Quiz zum fremdschämen oder wirft die Frage auf: Wann spaziert man? Wann wandert man? Im Fernsehen bringen sie Fitnessanleitungen und Wunschfilme, wahrscheinlich, damit man trotzdem noch einschaltet neben den täglichen Horror-News. Übers Mail gibt es Online Corona-Rabatt, die Pornoseiten überschlagen sich mit Tiefpreisangeboten und erotische Artikel werden dir nachgeworfen. Vielleicht wäre ein Hartdildo angesagt - ein neues Spielzeug für Asco? Und Facebook erblüht förmlich. Es vergeht keinen Tag, ohne dass ich drei bis vier Freundschaftsanfragen von wildfremden Männern bekomme. Ich gebe es zu, es hat auch ganz schnuckelige Kerle darunter - die ich natürlich zu meinen «Freunden» zufüge - aber was soll ich mit einem Typ aus Aserbaidschan?

Corona-Zeit ist eine schwierige Zeit. Wir haben verlernt uns selber zu beschäftigen, auch mal mit uns allein zu sein und seinen Gedanken nachhängen. Man kann sich nicht schnell ablenken und ein Date abmachen, schnell raus zum Cruisen oder zum Shoppen in den nächsten Supermarkt fahren, für Dinge, die man gar nicht braucht – ausser jetzt dem Hartdildo. Oberflächlichkeiten haben keinen Platz. Sein und Schein wie auf den blauen Seiten schon mal gar nicht. Es ist eine Zeit der Veränderung, was vielen schwer fällt, wovor man auch Angst hat. Zum Teil begründet durch Existenzangst wie mein Coiffeur, der jetzt wieder offen hat oder der Wirt um die Ecke, der ab 11. Mai unter strengen Bedingungen öffnen darf. Oder, dass man nie mehr miteinander so umgehen kann wie bisher und auf Distanz bleiben muss? Jeder hat seine Träume, dazu braucht es den Mut zur Veränderung, was dann wiederum die Wenigsten haben. Doch in diesen Tagen müssen wir uns verändern und keiner fragt, ob wir den Mut dazu haben. Und etwas durchhalten müssen wir noch. In diesem Sinne: Bleibt gesund, bleibt noch etwas zuhause – und esst Rüebli.


April - Und plötzlich hat man Zeit

Da stehe ich in der Toilette vor dem Spiegel und wasche mir die Hände. Am Pissoir hinter mir steht der Kerl, den alle gerne im Bett hätten. Über den Spiegel kann ich ihn wunderbar beobachten, wie er an seinem Reisverschluss nestelt. Nur zu gerne würde ich ihm helfen. Er dreht sich zu mir um und grinst mich an. Sein Bart ist perfekt geschnitten, seine breiten Schultern und die Muskeln zeichnen sich unter dem weissen Hemd ab. Ich werde sowas von schwach und halte kurz mit meiner Tätigkeit am Lavabo inne und drehe mich um zu ihm.

Ich bin mit 1.83m nicht der Kleinste. Doch dieser Mann lässt sogar mich klein aussehen. Knappe 2 Meter, kein Gramm Fett, dunkelbraune Augen, sinnlicher Mund, dunkle Brusthaare, die aus seinem geöffneten Hemd schauen, behaarte Arme und wie erwähnt, einen perfekt geschnittenen dichten Bart. Er hat bemerkt, dass ich ihn beobachte und lacht mich an. Ich wasche meine Hände noch etwas länger. Die Spülung ertönt hinter mir und kurz darauf stellt er sich an das übernächste Lavabo.

Nein, es hat nicht gefunkt, wenn sie das nun meinen. Stefan ist mein Bürokollege, und auch er beginnt sich ausgiebig die Hände zu waschen. Wir befolgen ganz brav die Hygienevorschriften, die in diesen Tagen gelten. «Schade sind wir ab morgen zu Home-Office verdonnert», meint er. «Tja, schade. Ich kann glücklicherweise mit Asco noch raus, sonst heisst es ja zuhause bleiben.» Ich reibe mir die Hände mit Desinfektionsmittel ein, obwohl sie davon spröde werden. «Ich glaube, mir wird irgendwann mal die Decke auf den Kopf fallen», sagt Stefan.

Ja, zuhause bleiben ist angesagt. Die ganze Welt steht still – sollte eigentlich stillstehen. Ein Virus zwingt die Welt in die Knie. Ist das nun die Rache der Natur für das, was wir ihr antun. Oder ist das wieder ein Versuch für biologische Waffen, der schief ging? Bei AIDS wurden damals reihenweise Gerüchte in die Welt gesetzt. Man wusste, wie man sich schützt und konnte trotzdem Sex haben. Doch jetzt? Es gibt praktisch keinen Schutz ausser den Massnahmen, die der Bundesrat verordnet hat. Doch auf die Dauer kann 2 Meter Abstand nicht das Wahre sein. Stefan so weit weg zu haben, war für uns beide komisch, weil wir sonst eng zusammenarbeiten. Auch mit Anderen diese Distanz zu halten ist merkwürdig und ich habe Mühe damit. Christoph will vorerst auch nicht vorbeikommen. Ich bin froh habe ich Asco, den kann ich wenigstens knuddeln und der ist froh, bin ich nun so lange zuhause.

Mittlerweile habe ich einen Corona Overkill. Das Fernsehen bringt nichts Anderes mehr, sogar Sondersendungen wurden ausgestrahlt. Sollte man nicht jetzt die Leute aufmuntern, interessante Filme zeigen? Doch nein, im Schweizer Fernsehen scheint Corona das einzige Thema und überhaupt Panik pur zu sein. Immerhin hat man begriffen das Schulfernsehen auszubauen. Neuerdings laufen Sendungen, wie man sich zuhause fit halten kann – gab’s doch schon mal: «Fit mit Jack». Die Skype-Sitzungen bringen etwas an Humor in den Alltag, wenn bei den Einen oder Anderen das Mikro mal nicht läuft oder die Leitung so schlecht ist, dass es zu lustigen Verzerrungen kommt. Beim Einkaufen sehe ich fast nur ältere Leute, die zuhause bleiben sollten und die Läden geben sich alle Mühe, damit man sich an die verordneten Regeln hält. Sogar unser Bäcker lässt nur zwei Kunden gleichzeitig rein.

Die Leute können sich nicht mehr mit sich selbst beschäftigen. Sämtliches Unterhaltungsangebot fehlt – was für die kulturellen Institutionen eine Tragödie ist. Auch mir fehlen Theaterbesuche, zusammen essen gehen und mein Coiffeur hat auch zu. Klopapier habe ich genug und Nudeln sind bei mir eh immer im Vorrat.

Ich gehe mittlerweile bis zu drei Mal mit Asco raus und mache neu zwei Jogging Runden, wenn auch nur kurz. Meine Nachbarn und ich kreuzen uns mit zwei Meter Abstand und wir wechseln sogar die Strassenseite. Facebook und Co. erblühen und auf den blauen Seiten gibt es tatsächlich noch so ein paar Bekloppte, die ein Sexdate abmachen wollen. Auch ein Freund bestätigt mir, er sei untervögelt und CamSex mache auf Dauer keinen Spass. Ich denke an meine Freunde, meine Geschwister, meine Eltern und Asco legt seinen Kopf auf meine Schenkel. «Komm Asco, raus.»

Ich hab ja Zeit, Home-Office kann ich Spätabends machen, tagsüber kann den Frühlingsputz in Angriff nehmen, meine CD’s digitalisieren, ausmisten, für meine Nachbarin einkaufen gehen, weil sie zuhause bleiben sollte oder auch mal Nichts tun. So ein Privileg hat man selten. Und das sollten wir öfters machen: Nichts!


März - Ich und mein Ständer

Da stehe ich nun mit meinem Ständer und bin sogar etwas stolz auf ihn. Seit kurzem habe ich ihn nun meinen Dauerständer und es ist mir nicht mal mehr unangenehm. Mit der Zeit habe ich mich sogar daran gewöhnt. Die Leute schauen mich nicht mal mehr an, wenn ich mit ihm so dastehe, ihn manchmal liebevoll umfasse und er steil in die Luft ragt.
Nur nachts ist es etwa schwierig, vor allem wenn die Krankenschwester kommt und die Infusionsbeutel wechseln muss. Ich wurde notfallmässig im Spital eingeliefert, doch zum Glück nicht so schlimm wie befürchtet. Allerdings musste ich ein paar Nächte zur Beobachtung bleiben. Schon im Notfall wurde mir der Ständer zur Seite gestellt und wich seither keine Sekunde von meiner Seite. Da ich ja mit ein paar Schläuchen mit ihm verbunden bin, ist es auch schwierig, mich von ihm zu trennen. Seit Jahren wieder ein Spitalbesuch, unerwartet zwar, doch besser so, als wenn etwas Schwerwiegendes zu Tage gekommen wäre. Christoph hat mich hergefahren und Asco hat gewinselt, wie wenn wir uns nie mehr wiedersehen würden. Dabei weiss er ja, dass er bei Christoph gut aufgehoben ist und mehr verwöhnt wird als zuhause.
Mir fällt auf wieviel Personal so ein Spital hat und welch extreme Hierarchie herrscht. In den 5 Tagen hatte ich drei Ärzte, einen Oberarzt, den ich gerade mal knappe fünf Minuten gesehen habe, unzählige Pflegerinnen und Pfleger, Putzpersonal und die Frauen, die fürs Essen bringen zuständig waren. Alles genau durchgeplant und orchestriert.
Die Zimmer sind nichts Besonderes und ich liege auf derselben Station wie beim letzten Mal vor 25 Jahren. So lange ist mein letzter Spitalaufenthalt her, als ich einen Bänderriss am rechten Fuss operieren musste.  Auch sind die Zimmer immer noch dieselben, doch neu fällt der Blick auf die Uhr an der gegenüberliegen Wand. Schon im Notfall, überall! Hat man in der normalen Arbeitswelt das Gefühl, die Zeit rast, ist hier das Gegenteil der Fall - die Minuten werden zu Stunden. Immer und überall starrt mir eine Uhr von der gegenüberliegenden Wand entgegen. Vor allem nachts, wenn man nicht schlafen kann und der Zimmernachbar die Nachtschicht auf Trab hält, zähle ich die Minuten. Ich beneide die Leute nicht, die sich aufopfernd um die Patienten kümmern und vom Arbeitsplan her kaum für sie Zeit haben. Die stöhnenden Hilferufe, das penetrante Klingeln und piepen, das nachts durch die Gänge hallt, hat etwas unheimliches, schon fast Surreales. Mit unendlicher Geduld versuchen sie zum wiederholten Mal meinem Zimmernachbarn beizubringen, wo das Licht ein- und ausgeschaltet werden kann, wie er das Bett verstellen oder fernsehen kann. Abend für Abend dasselbe – in der Nacht ebenso. Kommt erschwerend dazu, dass er sich die Kabel zur Intensivüberwachung zum x-ten Mal ausgerissen hat. Dies zieht dann einen intensiven Piepston nach sich und meistens spurten gleich zwei Schwestern ins Zimmer. Das erste Mal kurz vor Mitternacht und ich hatte gerade eine knappe Stunde geschlafen. Für den Rest der Nacht ist an Schlaf und Erholung nicht zu denken. Werde ich auch mal so enden? Verwirrt, orientierungslos und depressiv mit 75 Jahren – ich mag nicht daran denken. Und kaum bin ich in dieser Nacht endlich gegen fünf Uhr morgens eingeschlafen, weckt mich um sechs Uhr die Schwester um die Infusion zu wechseln, neue Antibiotika zu stöpseln, und zu guter Letzt auch noch Blut abzuzapfen. Mein Geduldslevel rast im Sturzflug rapide gegen den Nullpunkt. Doch ihr freundliches Lächeln und die Entschuldigung, dass ich eine schlimme Nacht gehabt hätte, stimmt mich milde. Ihr war es ja genau gleich gegangen.
Ich bin froh, als ich meinen Ständer – meinen Infusionsständer – abgeben und aus dem Spital kann. Und einmal mehr dankbar für die Gewissheit, wie gut es wir Gesunden haben - und doch gerade diese Gesundheit nicht zu schätzen wissen.


Februar - Blaue Seiten

Es ist passiert. Ich habe mir auf den blauen Seiten endlich wieder ein Profil erstellt. Man(n) sollte ja mit der Zeit gehen. Die Zeiten sind endgültig passé, als man(n) jemanden in einer Bar oder Disco kennen lernte, die halbe Nacht durchtanzte und nach dem letzten Drink den Kerl abschleppte. Man(n) verbrachte den Sontag zusammen – vorwiegend im Bett – und machte am Montag blau, um noch etwas länger mit dem Kerl im Bett zu bleiben.

Nach dem so verlängerten Wochenende verknallte man(n) sich entweder in den Typ oder man(n) sah ihn nie wieder im eigenen Bett, in der Bar hingegen schon, wo er sich von einem anderen Typ abschleppen liess.
Doch hier auf den blauen Seiten weiss ich, was mich in etwa erwartet. Sie sind voll mit netten Bildern, wenn man von der Bildqualität mal absieht, die irgendwelche verrauschten, unscharfen oder angeschnittenen Gesichter zeigen. Alle sind irgendwie in den Ferien, sehen relaxt aus, niemand scheint zu arbeiten. Das Leben besteht schliesslich nur aus Fun, wenn man den Profiltexten Glauben schenkt. Schliesslich will man sich anbieten oder sucht etwas – Marketingkenntnisse sind klar von Vorteil. Da werden sämtliche Vorzüge runtergeschwurbelt, Romane geschrieben oder gar nichts. Am schönsten finde ich Texte wie: «ohne Gesichtsbild kein Chat» und im eigenen Profil prangt ein Gänseblümchen. Also sieht der Typ aus wie ein Gänseblümchen, wie ein Turnschuh, wie eine Landschaft, wie eine Mauer oder wie gar nichts? Oder «Boy, 56 sucht…»  - sogar mit meinen 45 ist meine «Boy-Zeit» seit über 25 Jahren vorbei. Ich bin ganz klar ein Mann, ein Kerl von oben bis unten, mit Bart, Haaren auf der Brust, an Armen und Beinen, schwindenden Herrenratsecken und etwas zuviel auf den Rippen. Und wer ein neues Profil hat, wird eh überrannt mit Anfragen, Angeboten und Anmache.

Ich beschliesse ein aktuelles Bild von mir und Asco als Profilbild zu laden. Da weiss jeder was Sache ist und mein Hund eine Liebschaft überdauern kann, ich aber keine solche suche. In meinem Beziehungsstatus steht, dass ich eine offene Partnerschaft habe – haben Christoph und ich mal so beschlossen. Nicola, ein Bekannter, sagt da, er sei Single. Obwohl er in einer Beziehung lebt und sehr eifersüchtig reagiert, wenn sein Freund nur schon einen anderen anguckt. Die eigene Reflektion bleibt etwa in der Reisverschlussgegend hängen. Bildtechnisch allerdings sieht man in der Reissverschlussgegend sehr viel stehen oder hängen, mehr als einem lieb ist. Und ich wurde auch schon gefragt, weil ich kein so stehendes Bildchen habe: «Was hast du in der Hose?» Ist doch im Grunde ganz einfach: Portemonnaie, Hausschlüssel und ein Taschentuch.

Ok, nicht ganz das, was der Typ wissen wollte. Doch für alle, die es jetzt genau wissen wollen. Ich trage etwa ein paar Leckerli für Asco bei mir. Aber wenig, nicht dass er zu dick wird. Apropos Dick: Jeder gefühlt Zweite geht ins Fitnessstudio, fährt Rad, macht Dauerlauf oder irgendeinen Sport. Matratzensport? Wenn ich mich so ansehe, habe ich nicht mehr die Figur wie vor zwanzig Jahren und ewig jung bleiben will ich auch nicht. Die grauen Haare schimmern schon länger durch mein braun. Doch ich bin zufrieden. Also stelle ich mir die Frage: Was mache ich hier? In dieser Scheinwelt, in der - wie es aussieht - Keiner Durchschnitt ist. Ich will jetzt nicht sagen, dass es hier keine tollen Leute gibt. Langjährige Freundschaften sind bei mir so entstanden, sogar Christoph habe ich erst über die blauen Seiten kennen gelernt, bis wir uns per Zufall mal direkt über den Weg gelaufen sind. Die blauen Seiten gibt es schon lange, doch damals waren sie ehrlicher. In der heutigen Selfie- und Selbstdarstellungs-Ära scheint mir, ist anderes gefragt – Äusserlichkeiten, aufgepeppt mit den eingebauten Fotofilter des Smartphones. Wäre es nicht an der Zeit, wieder ehrlicher miteinander umzugehen? Direkt und nicht virtuell?

Christoph konnte es kaum erwarten mein neues Profil zu sehen. Er hatte Freude, weil er das Bild von mir und Asco gemacht hatte. «Gefällts dir?» fragte ich. «Doch, kommst gut rüber, und ich würde dich sofort nehmen…!» Ich lachte. «Dann ist ja gut, mich hast Du ja» und drückte den «Löschen»-Button.



Januar - Januarloch

Der erste Schnee war gefallen – Mitte Dezember - und Asco hatte Freude, darin umher zu tollen. Ich hatte meine warmen Schuhe und die Winterjacke mit Fleeceeinsatz hervorgeholt. Obwohl diese Jacken schon so was von out sind, mag ich das kuschelige Ding eben doch. Die neuen modernen Daunenjacken geben zwar recht warm, ich aber sehe darin aus wie ein Michelin-Männchen.

Doch Weihnachten war wieder grün, warm und für meinen Geschmack eben sowas von nicht Weihnachten. Und nun im Januar kündigt sich das Januarloch an. Nach Black-Friday, Cyber-Monday und was da alles an billigen Produkten verscherbelt wurden, bleibt nun kein Geld für gar nichts mehr. Und immer noch ist Sale – oh ja, gesalzen kommt einem dann doch die eine oder andere Rechnung vor. Genau das darf ich wieder im Geschäft zu duzenden ausbaden. Dafür bin ich ja da und werde bezahlt. Was mir aber nicht in den Kopf gehen will, ist der dauernde Konsumrausch. Nachdem ich meinen Kleiderschrank endlich ausgemistet habe und das Meiste in die Kleidersammlung gab, hatte ich nicht das Gefühl, den Schrank wieder zu füllen. Nein, ich geniesse die Leere dort drin.

Leere ist nach den Festtagen auch endlich in meiner Wohnung eingekehrt. Nach den ganzen Weihnachts-, Zwischendurch- und Silvesteressen mit Familie, Christophs Familie, Freunden und Bekannten, Nachbarn, Patenkindern und Hundekollegen bin ich froh, dass der Alltag Einzug gehalten hat. Auch Asco geniesst die Ruhe sichtlich und liegt mir abends zu Füssen oder wir unternehmen besonders lange Spaziergänge. Mir ist wesentlich wohler ohne diese üppigen Gelage. Und ich kann mein Gehirn freischaufeln und über Bevorstehendes nachdenken – über meine Ferien und die Abstimmung im Februar. Die Wohnungsinitiative interessiert mich nicht sonderlich – ich habe ja eine eigene Wohnung. Egoist - denken Sie wahrscheinlich! Ja, dem könnte man so sagen. Doch die Änderung im Strafgesetzbuch für das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist ganz klar anzunehmen. Da gibt es ein grosses Ja von mir. Denn nach Meinung von Bundesrat und Parlament darf niemand wegen seiner Homo-, Hetero- oder Bisexualität diskriminiert werden. Das gehört zu den von der Bundesverfassung garantierten Grundrechten. Die Erweiterung des Strafrechts verbessert den Schutz vor Diskriminierung. Ist auch meine Meinung – und Ihre?

Und von wegen Januarloch… Trotz der Wärme, die wir hier haben, zieht es mich in den Süden. Genauer nach Gran Canaria. Ja, ich weiss: Sonne, Sand und Meer. Oder sollte ich sagen: Mehr? Mehr Gays, mehr Szene, mehr Sex. Christoph mag GC nicht, das sei ihm zu schwul. Auch gut, denn er lässt mich ziehen und so kann ich meiner geheimen Lust frönen. Oh nein, da kommen sie nie drauf, denn sie haben sicher gedacht Gays aufreissen, heisse Nächte und davon jede in einem anderen Bett mit einem anderen Kerl, Disco bis zum abwinken. Ha, wenn Sie wüssten – doch nein, das bleibt mein kleines Geheimnis – nur soviel: Es hat mit Sand und Meer zu tun. Und eben mit dem Januarloch, denn Ende Januar ist es soweit. Eine Woche nur für mich ganz alleine. Asco wird mir zwar nach zwei Tagen fehlen, doch der freut sich, wenn er meine Schwester zum Wahnsinn treiben kann. Und ich werde sicher den einen oder anderen Kerl ansehen, mich in Abschlepptaktik üben, heisse Nächte haben. Und wahrscheinlich nicht nur das… Aber behalten sie es für sich.

Dezember – Advents- und Weihnachtszeit 2019

Dezember, Monat der Chläuse. Ende November trafen sich 52 von ihnen in Zofingen zum 20 Jahr Aargay Anlass. Wie mir zu Ohren kam, war es ein gemütlicher Anlass mit zufriedenen Gesichtern, gutem Essen und ausgelassener Stimmung. Eher befremdlich war, dass nur eine Flasche Rotwein getrunken wurde. Eine Flasche Rotwein für 52 Männer?

Ich wurde auf Anfrage aufgeklärt, dass es sich um eine 15 Liter Flasche handelte. Die üppige Weihnachtsdekoration war Gesprächsstoff, auch das Dessert wurde gelobt und wenn ich an all die süssen Versuchungen in der Weihnachtszeit denke, werde ich noch etwas schwerer und runder. Der verführerische Duft von frisch gebackenen Güetzli lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Angefangen von den Mailänderli, über Brunsli oder Anis-Chräbeli bis zu den raffinierten Orangenschnitten, die Christoph so gut macht. Die Weihnachts- und Adventszeit ist da. Karten kreieren, schreiben und an liebe Menschen senden, an die man all die Monate vorher nicht gedacht hat. Jahreszusammenfassungen lesen, die man von Verwandten bekommt – doch was interessiert mich die Operation am Darmausgang von Tante Berti? (über andere Darmausgänge kann man reden…) 

An Dezemberabenden bei Kerzenlicht zusammen essen – wenn Christoph mal da ist, denn meistens darf ich das alleine mit Asco. Im Radio wird «Last Christmas» von Wham rauf und runter gespielt und im Kino läuft sogar ein Film der so heisst – natürlich nur mit Songs von Wham (Schmelz). Die Heilsarmee singt in der Stadt die alten  Weihnachtslieder, die keiner mehr richtig kennt und nur noch mit summt. Weihnachten sollte eine besinnliche Zeit sein. Das Gegenteil ist der Fall. Alle müssen noch irgendwelche Geschenke kaufen, weil sie die Wochen vorher nicht daran gedacht hatten. In den Läden herrscht Grossandrang, obwohl seit Mitte Dezember schon Winterschlussverkauf ist – oder gerade deswegen? Die Luft ist stickig und ich habe jedes Mal das Gefühl in einer Mischung aus Sauna und vollgestopftem Bus mich mit der Masse unzähliger Ausdünstungen bewegen zu müssen. Dabei könnte Weihnachten so entspannt sein. Man arbeitet weniger als in normalen Monaten. Hat Zeit mit seinen Liebsten die Tage zu verbringen – die ab und zu auch wegen Streitigkeiten entgleisen. Warum eigentlich? Hat man endlich Zeit zum Streiten oder ist man wegen dem ganzen Weihnachtsrummel genervt?

Doch wenn ich an den Weihnachtmann aus meiner Kindheit zurückdenke, wird mir warm ums Herz. Der Weihnachtsmann mit seinem Schmutzli kam bei uns immer am Heilig Abend. Anfänglich war da die Mischung aus Angst und Faszination. Kann ich den Vers richtig aufsagen, damit ich ein Geschenk bekomme? Auch wenn ich es nicht konnte, nahm er mich auf seinen Schoss und ich bekam etwas aus seinem Sack (keine schmutzigen Gedanken jetzt…) Mit der Zeit fand ich den Schmutzli mit seinem dunklen Bart jedoch interessanter und geheimnisvoller. Später stellte sich heraus, dass der Weihnachtsmann mein Pate war. Der Schmutzli war unser Nachbar, den ich später wegen seinem behaarten Körper extrem sexy fand, wenn er im Sommer in seiner knappen Badehose im Garten arbeitete. All diese Kindheits- und Jugenderinnerungen werden immer verwaschener, je älter man wird. Schliesslich verdrängt man sie ganz, um dem Ansturm und Wettbewerb auf Weihnachten gerecht zu werden.  Dabei braucht es so wenig. Asco und Christoph, Zeit für einander. Und dann noch die Familie, meine Eltern und Geschwister, Christophs Eltern und Geschwister. Unsere Freunde, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Die Arbeitskollegen mitsamt Familie, dann wären da noch… Ich glaube an Weihnachten verreise ich endgültig. Alleine!


November-Blues 2019

Die Tage sind kürzer geworden. Mein Hund verkriecht sich solange er kann auf seiner Matte und Lust nach draussen in den Nebel zu gehen, hat er frühmorgens schon mal gar nicht. Ich kann ihm nachfühlen und verwünsche meinen Wecker ins Pfefferland. Irgendwann sollte ich aus den Federn in die kühle, feuchte Suppe.

Herbst und Nebel geht ja noch, doch November und Nebel geht gar nicht.
In der Stadt strahlen teils seit Anfangs Oktober die Schaufenster mit Weihnachtsartikel um die Wette. Noch einen Monat und dann wird der Weihnachtskitsch dem Winterschlussverkauf Platz machen  garantiert ab Mitte Dezember. Wehe dem, der noch etwas für Weihnachten besorgen sollte. Im November fliesst alles nur zähflüssig dahin. Die goldenen Herbstfarben sind verschwunden, das Grau des Nebels hat Einzug gehalten. Wir haben uns noch nicht auf die Wintergarderobe umgestellt, weil Oktobertage zum Teil sehr warm waren und wir in Shorts und T-Shirts rumlaufen gelaufen sind. Ist ja auch eine Schande, dass man die frisch zugelegten Muckis nicht mehr zeigen kann. Allerdings ist es auch nicht schlimm, wenn die Fettpolster versteckt bleiben. Dass sogar der Mode- und Schönheitswahn im November endlich ins Stocken gerät und jeder wieder so sein darf, wie er eben ist, hat auch etwas Befreiendes.

Die Aussicht auf einen gemütlichen Film- oder Fernsehabend stimmt mich wieder freundlicher. Kuscheln vor dem Cheminéefeuer mit Christoph, meinem Freund, mit dem ich aber nicht zusammenwohne. Und nein, Kinder haben wir auch keine adoptiert, sonst müssten wir uns vielleicht mit mühsamen Spielgruppen-Leiterinnen rumschlagen. Ein Buch am Stück durchlesen, während der Hund gemütlich zu meinen Füssen döst. All die Dinge, die man sich für die langen Winterabenden vorgenommen hat, kann man nun langsam ins Auge fassen. Endlich mehr Zeit, da man draussen nichts verpasst – oder das Gefühl hat zu verpassen, Winterzeit sei Dank.

Der Kleiderschrank könnte zum Beispiel ausgemistet werden. All die Klamotten, die sich seit Jahren stapeln und die ich nicht mehr trage - weil sie zu alt oder zu klein sind - könnte ich gut entsorgen. In meine Lederkluft komme ich seit Jahren nicht mehr, die hat bloss noch Erinnerungswert – schmerzlichen Erinnerungswert, wenn ich mich im Spiegel betrachte. Mein Harnisch hatte ich vor 20 Jahren mit einer grossen Liebe in Boystown Chicago gekauft. Den sollte ich sowieso schon lange weggeben. (Nicht den Mann – den Harnisch. Jemand Interesse? Grösse S) Die wilden Jahre sind bei mir gewichen. Und wenn ich so überlege, war nicht jede Eroberung gleich die grosse Liebe oder EINE grosse Liebe. Und heute? Doch ich schweife in Gedanken an meine Liebhaber ab…

Als ich nun vor dem Schrank stehe, noch immer im Schlafanzug, frage ich mich, ob vielleicht eine neue Farbpalette gefragt wäre? Im Büro darf es ruhig bunter sein als immer nur Beige, Grau, Oliv oder dezentes Blau. Kann ich mich entscheiden für kräftigere oder gewagte Farben wie Knallgelb, Grasgrün oder Flieder? Bei der Gelegenheit wäre auch eine Nummer grösser angesagt.

Ab November stehen sowieso wieder die Weihnachtsessen der Firmen an. Jubiläumsessen, die von Sommer in den November verschoben wurden. Einladungen zum Essen, die man durchs ganze Jahr immer wieder hinausgezögert hat und nun meint, es müsse alles noch in diesem Jahr sein. Was bin ich froh, kann ich meine Badehosenfigur, die ich nie hatte, unter weiten Pullovern und bequem weiten Hosen verstecken, ohne meine Hüftpolster in irgendwelche enge Jeans zu quetschen. Mit den jungen Fitnessboys und der Selfie-Generation will ich mich nicht messen. Doch ab und zu verguckt sich einer dieser jung dynamischen Kerls in einen Daddy wie mich – ergreifen sie die günstige Gelegenheit. Ich sollte unbedingt wieder Sport machen – überhaupt Sport machen. Asco schaut mich quälend an. Herrje, der Hund muss raus. Wie schnell im Nebel die Stunden vergehen.


Wahlen - Oktober 2019

Jetzt strahlen sie wieder doppelt, die Strassenlaternen. Des Nachts bestrahlen sie die Strasse und durch den Tag strahlen einem vom Laternenpfahl unzählige, ebenso freundliche Gesichter entgegen. Unbestritten, es ist Wahljahr! Was versprechen die vielleicht angehenden Politiker und Parteien nicht alles? Doch haben sie auch schon mal ein Anliegen oder Versprechen für die LGBT-Gemeinde auf einem dieser Plakate entdeckt? Ich jedenfalls nicht. Das Motto scheint grün zu sein. Für eine Saubere Umwelt, weniger CO2 Belastung, Flugticketabgabe, Greta - Streik. Für die Grünen und Grünliberalen kein Thema. Wird nun mein Flug nach Gran Canaria an den Gay-Strand wieder teurer? Und wenn es im Sommer immer heisser wird wie in den letzten Jahren, da freut sich sicher nicht nur die Bier-industrie - die aber auch wieder CO2 verursacht - Scheinbar.

Doch zurück zu den strahlenden Kandidaten an den Laternenmasten – oder sollte ich sagen Verbrechen am Laternenpfahl? Damit meine ich nicht Asco, mein Hund, der unbeeindruckt das Bein an einem solchen Pfahl hebt. Ist nun auch Blau das neue Grün? Wie schnell kann man doch die Farbe wechseln um Wähler zu gewinnen. Oder wo zum Beispiel sind Diejenigen mit der orangen Farbe, machen die wirklich nur digitalen Wahlkampf? Die, denen die Familie über alles geht. Doch unsere Art Familie, zählt bei den Orangen scheinbar nicht. Dass die Gelben einen langweiligen Wahlkampf machen, sagen sie ja selber. Dass diese Partei einen ganz netten schwulen Jungpräsidenten haben, verschweigen sie. Ich meine nicht die Gelben, die ganz fromm sind, die lasse ich mal aussen vor. Und dass die Partei mit der Sonne im Logo, diese kaum mit dem Regen-bogen ersetzen wird, dürfte auch klar sein. Die haben ja auch die Farbe grün im Logo, sehen aber meistens schwarz. Gibt es eigentlich Schwule oder Lesben oder sogar Trans-menschen in dieser Partei? Es gibt sie, ja – nach neusten Erkenntnissen schweizweit an die sechzig Mitglieder. Bei der Partei mit der roten Farbe ist es ja klar, die hatten vor Jahren einen schwulen Nationalratspräsidenten, der sich öffentlich dazu bekannte.

Nun, frage ich mich schon: Wen soll ich denn nun wählen? Soll ich mich treiben lassen und den hübschen Männern, die mir auf den Fotos gefallen, meine Stimme geben? Oder soll ich nun mühsame Recherche betreiben, wer denn nun lesbisch, schwul, trans oder LGBT freundlich gesinnt ist und die Anliegen in den Räten vertritt? Vielmehr scheint mir der Genderkampf in vollem Gang zu sein. Die Klimadebatte donnert ungebremst übers Land, Themen wie der Vaterschaftsurlaub
nehmen Überhand, kurzzeitig flackert die Ehe für alle auf. Dank einem Bieler Stadtrat sieht die eine Partei vielleicht doch nicht so schwarz wie sonst, wo andere etwa von orangen zu roten Köpfen mutieren. Sind diese Politiker, die sich jetzt stark machen, wirklich wählbar? Mein Kopf beginnt zu rauchen und ich sehe schwarz – obwohl ich keineswegs mit dieser schwarzsehenden Partei sympathisiere, auch wenn sie ein paar hübsche Bauernkerle in ihren Reihen haben.

Irgendwie hat mich das Feuer noch nicht gepackt. Der mediale Kampf steht noch bevor und viele, sehr viele strahlende Köpfe werden frei Haus geliefert. Wer wirklich anpacken sollte, sind wir! Wir haben es in der Hand um zu schauen, dass Versprechen nicht blosse Versprechen bleiben. Dass das Strahlen an den Laternen nach den Wahlen nicht nur nachts zu finden ist. Also Freunde, geht wählen!










Aargay
von Männern - für Männer